Detail

Anforderungen an den Umfang der Ermittlungen des Notars bei der Aufstellung eines Nachlassverzeichnisses

|   Erbrecht

(BGH, Beschluss vom 07.03.2024 – AZ: I ZB 40/23 – ZErb 2024, 212-219)

Leitsatz

Der Notar, der vom Erben mit der Aufstellung eines Nachlassverzeichnisses beauftragt worden ist, entscheidet nach eigenem pflichtgemäßem Ermessen, welche Ermittlungen er vornimmt und welcher Erkenntnisquellen er sich bedient. Die Anforderungen an den Umfang der Ermittlungen richten sich nach den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls und orientieren sich daran, welche Nachforschungen ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde. Der Notar ist dagegen nicht verpflichtet, ohne konkrete Anhaltspunkte in alle denkbaren Richtungen zu ermitteln, um weiteres Nachlassvermögen aufzuspüren.

Sachverhalt

Nach § 2314 BGB kann ein Pflichtteilsberechtigter von dem oder den Erben Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Erblassers an seinem Todestag und darüber hinaus über lebzeitige Schenkungen und ausgleichungspflichtige Zuwendungen des Erblassers im Sinne der §§ 2050 ff. BGB verlangen. Dabei kann sich der Pflichtteilsberechtigte mit der Auskunft des Erben selbst begnügen oder die Vorlage eines von einem Notar erstellten Nachlassverzeichnisses, das der Erbe in Auftrag zu geben hat, verlangen. Der Pflichtteilsberechtigte kann auch, wenn er der Meinung ist, dass das vom Erben selbst vorgelegte Nachlassverzeichnis unzulänglich ist, zusätzlich ein notarielles Nachlassverzeichnis verlangen.

Die Anforderungen an die Ermittlungstätigkeit des vom Erben beauftragten Notars sind inzwischen im Wesentlichen geklärt. Sowohl der für das Erbrecht zuständige 4. Zivilsenat des BGH als auch der für das Zwangsvollstreckungsrecht zuständige 1. Zivilsenat des BGH haben sich mit den Anforderungen an die notarielle Ermittlungstätigkeit befasst, wobei sie die Anforderungen in ihren bisherigen Entscheidungen im Wesentlichen in gleicher Weise bestimmt haben.

Die hier besprochene Entscheidung des 1. Zivilsenats vom 07.03.2024 fasst die Grundsätze, die für die Anforderungen an den Umfang der Ermittlungen des Notars bei der Aufstellung seines Nachlassverzeichnisses gelten, zusammen und bestätigt diese.

 

Entscheidungsgründe des BGH

Ein notarielles Nachlassverzeichnis gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB soll eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft als das private Verzeichnis des Pflichtteilsbelasteten (Erben) bieten. Dementsprechend muss der Notar den Bestand des Nachlasses selbst und eigenständig ermitteln und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen, dass er den Inhalt verantwortet.

Der Notar ist in der Ausgestaltung des Verfahrens weitgehend frei. Er muss zunächst von den Angaben des Auskunftspflichtigen (Erben) ausgehen. Allerdings darf er sich hierauf nicht beschränken und insbesondere nicht lediglich eine Plausibilitätsprüfung durchführen. Dabei hat er diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde.

Die Verpflichtung des Erben zur Mitwirkung an der Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses richtet sich danach, in welchem Umfang diese Mitwirkung für die ordnungsgemäße Aufnahme des Verzeichnisses erforderlich ist. Maßgebend sind jeweils die Umstände des Einzelfalls. Hierbei darf und muss der Notar das Wissen des Erben sowie das in seiner Person vorhandene Aufklärungspotential gegebenenfalls in der Weise nutzen, dass er den Erben auffordert, eigene Auskunftsansprüche gegenüber Geldinstituten bzw. sonstigen Dritten durchzusetzen. Die vom Erben geschuldete Kooperation kann insoweit auch in der Anweisung an Dritte bestehen, die benötigten Auskünfte unmittelbar gegenüber dem Notar zu erteilen.

Liegt ein notarielles Nachlassverzeichnis vor, so ist die Pflicht zur Auskunftserteilung erfüllt und der Pflichtteilsberechtigte kann grundsätzlich nicht dessen Berichtigung oder Ergänzung verlangen. Vielmehr ist er in diesem Fall auf den Weg der eidesstattlichen Versicherung verwiesen.

Von diesem Grundsatz sind jedoch verschiedene Ausnahmen anerkannt. So kann ein Anspruch auf Ergänzung bzw. Berichtigung eines notariellen Nachlassverzeichnisses bestehen, wenn sich der Notar auf die Wiedergabe der Bekundungen des Erben ohne eigene Ermittlungstätigkeit beschränkt hat, oder wenn die Auskunft zwar dem Wissensstand des Verpflichteten entspricht, dieser sich jedoch fremdes Wissen trotz Zumutbarkeit nicht verschafft hat, oder wenn in dem Verzeichnis eine unbestimmte Mehrheit von Nachlassgegenständen – etwa aufgrund eines Rechtsirrtums des Auskunftspflichtigen – nicht aufgeführt ist und beispielsweise Angaben über lebzeitige Schenkungen oder ausgleichungspflichtige lebzeitige Zuwendungen des Erblassers fehlen.

 

2)

Beweislast für die Vernichtung eines ordnungsgemäß errichteten Testaments

(OLG Hamm, Beschluss vom 09.02.2024 – AZ: I-10 W 60/23 – ErbR 2024, 373 – 375)

 

Leitsatz

  1. Sind Existenz und Inhalt einer letztwilligen Verfügung nachgewiesen, so ist für deren Ungültigkeit aufgrund einer persönlichen Widerrufshandlung des Erblassers derjenige beweispflichtig, der sich hierauf beruft.
  1. Es besteht keine Vermutung dafür, dass bei Nicht-Auffinden des Testaments dieses durch den Erblasser in Widerrufsabsicht vernichtet worden ist.

 

Sachverhalt

Der Erblasser war geschieden. Die Beteiligte zu 2) ist seine einzige Tochter, die nach der Trennung der Eltern keinen Kontakt mehr zu dem Erblasser hatte. Der Antragsteller und Beteiligte zu 1) war ein guter Bekannter des Erblassers, der sich in seinen letzten Lebensjahren um ihn gekümmert hat.

Der Erblasser errichtete am 17.06.1999 ein notarielles Testament, in welchen er als Erben den Verein X einsetzte und für seine damalige Lebensgefährtin ein Vermächtnis aussetzte.

Ein auf den 15.09.2016 datiertes handschriftliches Testament des Erblassers liegt lediglich in Kopie vor. In diesem heißt es, dass die Beteiligte zu 2), zu der seit 30 Jahren kein Kontakt bestehe, nichts erben solle und sein gesamter Besitz in das Eigentum seines "Ehemannes M. N." übergehen solle...

Der Verein X sowie die frühere Lebensgefährtin des Erblassers haben nach dem Erbfall das Erbe ausgeschlagen. Die Beteiligte zu 2) hat mit Schriftsatz vom 22.03.2022 die Testamente vom 17.06.1999 und 15.09.2016 angefochten.

Der Beteiligte zu 1) hat unter Berufung auf das handschriftliche Testament vom 15.09.2016 einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt, der ihn als Alleinerben ausweist. Die Beteiligte zu 2) hat dem Antrag widersprochen und ihrerseits die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als alleinige gesetzliche Erbin ausweist.

Das erstinstanzliche Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung mehrerer Zeugen.

Mit Beschluss vom 20.04.2023 hat das Nachlassgericht die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags des Beteiligten zu 1) erforderlich sind, für festgestellt erachtet und den Antrag der Beteiligten zu 2) zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beteiligte zu 1) den Erblasser aufgrund seines Testaments vom 15.09.2016 allein beerbt habe. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme sei die Existenz des Originaltestament vom 15.09.2016 zu bejahen gewesen. Es könne nicht festgestellt werden, dass dieses Testament durch ein späteres Testament widerrufen worden sei oder dass der Erblasser es vernichtet habe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 2). Sie macht dabei geltend, dass der Erblasser den Beteiligten zu 1) nicht zu seinem Erben eingesetzt hätte, wenn er gewusst hätte, dass er durch dessen Bezeichnung als "Ehemann" keine Steuerfreibeträge generieren könne. Auch habe der Erblasser ihre Enterbung nicht mehr gewollt, sodass die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei. Es sei nicht haltbar, dass das Nachlassgericht die bewusste Vernichtung des Testaments durch den Erblasser nicht habe feststellen können. Zwei der vernommenen Zeugen hätten hierzu bekundet, dass der Erblasser an der Erbenstellung des Beteiligten zu 1) nicht mehr haben festhalten wollen und dass nunmehr seine Tochter etwas bekommen solle. Gegenüber dem Zeugen Y habe der Erblasser gesagt, dass sie sein Haus erhalten solle. Damit habe der Erblasser unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er das Testament vom 15.09.2016 bereits bewusst vernichtet habe.

 

Entscheidungsgründe des OLG Hamm

Die zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 2) hat keinen Erfolg. Die Beschwerdeführerin ist nicht gesetzliche Erbin des Erblassers geworden. Vielmehr bestimmt sich die Erbfolge nach dem eigenhändig errichteten Testament des Erblassers vom 15.09.2016.

Dieses Testament ist vom Erblasser als eigenhändiges Testament formwirksam errichtet worden. Zwar ist zum Nachweis eines testamentarischen Erbrechts grundsätzlich die Urschrift der Urkunde vorzulegen, auf die das Erbrecht gestützt wird. Ist diese Urkunde aber nicht mehr auffindbar, kommt der allgemein anerkannte Grundsatz zum Tragen, dass es die Wirksamkeit eines Testaments nicht berührt, wenn die Urkunde ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden, verloren gegangen oder sonst nicht mehr auffindbar ist. In einem solchen Fall können Errichtung und Inhalt des Testaments mit allen zulässigen Beweismitteln bewiesen werden. An den Nachweis sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen.

Unter Zugrundelegung dieser Kriterien hat der Beteiligte zu 1) die Existenz und den Inhalt des Testaments durch die vorgelegte Kopie und die in erster Instanz durchgeführte Beweisaufnahme bewiesen. Sind die Existenz und der Inhalt der letztwilligen Verfügung nachgewiesen, wäre für dessen Ungültigkeit aufgrund einer persönlichen Widerrufshandlung des Erblassers derjenige beweispflichtig, der sich hierauf beruft. Es besteht keine Vermutung dafür, dass bei Nicht-Existenz der (Original-)Urkunde diese durch den Erblasser in Widerrufsabsicht vernichtet worden ist.

Sowohl die rechtsgültige Errichtung als auch der von dem Erblasser gewollte Inhalt seiner Verfügung ist durch die Aussagen der erstinstanzlich vernommenen Zeugen A und B nachgewiesen worden. Diesen beiden Zeugen ist das Originaltestament im August 2021 gezeigt worden. Beide Zeugen haben übereinstimmend bestätigt, dass sie das Originaltestament, das inhaltlich mit der Kopie übereinstimmte, gesehen und den Erblasser in diesem Zusammenhang sogar darauf hingewiesen hätten, dass er dieses doch wegen der "ziemlichen Hin- und Herschmiere" neu schreiben solle. Auch haben sie dem Erblasser gegenüber beanstandet, dass der Beteiligte zu 1) doch nicht der Ehemann des Erblassers wäre. Gleichwohl habe der Erblasser an der Form und seinen Formulierungen festgehalten. Er habe ihnen die absichtlich unzutreffende Bezeichnung des Beteiligten zu 1) als Ehemann damit erklärt, dass dann sein Erbe keine Erbschaftsteuer zahlen müsse.

Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Zeugen, die kein erkennbares wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens haben, sind nicht ersichtlich.

Die von der Beteiligten zu 2) erklärte Anfechtung des Testaments vom 15.09.2016 ist nicht erfolgreich, da ein Anfechtungsgrund gemäß den §§ 2078 ff. BGB nicht erkennbar ist.

Schließlich lässt sich auch nicht feststellen, dass das Testament vom 15.09.2016 durch ein späteres Testament widerrufen worden ist oder dass der Erblasser dieses bewusst vernichtet hat. Nachdem die Existenz und der Inhalt des Testaments nachgewiesen ist, war für dessen Ungültigkeit aufgrund einer persönlichen Widerrufshandlung des Erblassers derjenige beweispflichtig, der sich hierauf beruft. Dieser Nachweis ist der Beschwerdeführerin nicht gelungen. Allein aufgrund des Nicht-Auffindens der Originalurkunde im Haus des Erblassers kann nicht der Schluss gezogen werden, dieser habe sein Testament in Widerrufsabsicht vernichtet. Auch einen etwaigen Widerruf des Testaments vom 15.09.2016 durch Veränderungen oder Errichtung eines neuen Testaments hat die Beschwerdeführerin nicht nachgewiesen. Denn ein neues oder verändertes Testament ist nicht aufgefunden worden. Die Aussagen der in erster Instanz vernommenen Zeugen waren insoweit unergiebig. Mündliche Äußerungen des Erblassers gegenüber einem Teil der vernommenen Zeugen genügen insoweit nicht, zumal der Erblasser keinem der vernommenen Zeugen ein solches neues Testament gezeigt hat.

 

3)

Voraussetzungen für die Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht

(OLG Hamm, Beschluss vom 13.02.2024 – AZ: I-10 W 107/22 – ErbR 2024, 445 – 447)

 

 

Leitsatz

  1. Ist der vom Erblasser eingesetzte Testamentsvollstrecker – aus welchen Gründen auch immer – weggefallen, so ist nicht ohne weiteres ein Ersuchen um Ernennung eines anderen Testamentsvollstreckers anzunehmen.
  1. In diesem Falle ist zu prüfen, ob das Testament in seiner Gesamtheit den Willen des Erblassers erkennen lässt, die Testamentsvollstreckung auch nach dem Wegfall der vom Erblasser benannten Person fortdauern zu lassen.
  1. Entscheidend ist, ob der Erblasser bei Berücksichtigung der später eingetretenen Sachlage mutmaßlich die Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht gewollt hätte.
  1. Insoweit kann insbesondere von Bedeutung sein, welche Gründe den Erblasser zur Anordnung der Testamentsvollstreckung bestimmt haben, und ob diese Gründe auch nach dem Wegfall der im Testament benannten Personen fortbestehen.
  1. Der entsprechende Wille des Erblassers, das Nachlassgericht zu ersuchen, muss stets irgendwie, sei es auch nur unvollkommen oder versteckt, im Testament zum Ausdruck gekommen sein.

 

Sachverhalt

Die Erblasserin errichtete mit Datum 05.01.2017 ein handschriftliches Testament, in dem sie neben anderen letztwilligen Anordnungen den Beteiligten zu 1) als "Nachlassverwalter" einsetzte. Dieser beantragte am 16.12.2020 die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses. Dagegen erhob der Beteiligte zu 5) Einwendungen und wies darauf hin, dass sich dem Testament der Erblasserin die Anordnung eines Testamentsvollstreckers nicht entnehmen lasse. Im Übrigen bestünden Bedenken gegen die Neutralität des Beteiligten zu 1. Dieser erklärte demgegenüber, dass die Erblasserin zum Ausdruck gebracht habe, dass er sich um die Abwicklung der letztwilligen Verfügungen kümmern solle. Die Testamentsvollstreckung sei erforderlich, weil er und der Beteiligte zu 5) nicht in der Lage seien, gemeinschaftliche Entscheidungen zu treffen, um die testamentarischen Verfügungen umzusetzen.

Im weiteren Verlauf einigten sich die Beteiligten zu 1) und zu 5) darauf, dass ein neutraler Testamentsvollstrecker vom Nachlassgericht eingesetzt werden solle. Der Beteiligte zu 1) erklärte am 09.12.2021 sein Einverständnis mit der Ernennung des vom Nachlassgericht vorgeschlagenen Beteiligten zu 4).

Durch den nicht begründeten Beschluss vom 10.02.2022 ernannte das Amtsgericht-Nachlassgericht-Bochum den Beteiligten zu 4) zum Testamentsvollstrecker.

Hiergegen legte der Beteiligte zu 5) fristgerecht Beschwerde ein. Zur Begründung führte er aus, es bestünden Zweifel an der Neutralität des Beteiligten zu 4) als Testamentsvollstrecker. Vor allem aber sei dem Testament nicht zu entnehmen, dass die Erblasserin das Nachlassgericht ersucht habe, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers vorzunehmen.

Demgegenüber stimmte der Beteiligte zu 1) ausdrücklich der Ernennung des Beteiligten zu 4) oder einer anderen neutralen Person in seiner Stellungnahme zu. Nachdem die Beteiligte zu 6) am 18.04.2023 verstorben war, teilte er dem Nachlassgericht noch einmal mit, dass er das Amt des Testamentsvollstreckers nicht annehmen wolle und der Ernennung einer neutralen Person vorbehaltlos zustimme. Der Beteiligte zu 1) ist dann jedoch am 18.12.2023 verstorben.

Der Beteiligte zu 5) beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und trägt zur Begründung vor, die Auslegung des Testaments dahingehend, dass die Erblasserin mit dem Begriff "Nachlassverwalter" eine Testamentsvollstreckung gewollt habe, könne zwar noch hingenommen werden. Die Erblasserin habe den Testamentsvollstrecker aber nicht ermächtigt, einen Nachfolger zu bestimmen. Auch habe sie das Nachlassgericht weder ausdrücklich noch konkludent um eine solche Ernennung ersucht. Anhaltspunkte für ein solches Ersuchen ließen sich in dem Testament jedenfalls nicht finden. Die Anordnung der Testamentsvollstreckung sei auch nicht zweckmäßig, da sich die Miterben über die Auseinandersetzung des Nachlasses einig seien.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG Hamm zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe des OLG Hamm

Die zulässige Beschwerde ist in der Sache begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Es begegnet zwar keinen Bedenken, die Benennung eines "Nachlassverwalters" im Testament der Erblasserin dahingehend auszulegen, dass damit die Anordnung der Testamentsvollstreckung und die Ernennung eines Testamentsvollstreckers gemeint ist. Das Nachlassgericht kann aber nicht ohne weiteres eine andere Person zum Testamentsvollstrecker ernennen als die, die der Erblasser selbst in seinem Testament ernannt hat. Nach § 2200 Abs. 1 BGB kann das Nachlassgericht einen Testamentsvollstrecker nur dann ernennen, wenn der Erblasser in seinem Testament darum ersucht hat. Ein solches Ersuchen lässt sich hier indessen nicht feststellen.

Nach allgemeiner Meinung muss der Erblasser ein solches Ersuchen zwar nicht ausdrücklich stellen. Es genügt, dass sich durch – gegebenenfalls ergänzende – Auslegung der letztwilligen Verfügung ein darauf gerichteter Wille des Erblassers feststellen lässt. Allerdings ist es grundsätzlich Sache des Erblassers, im Testament die Ernennung des Testamentsvollstreckers selbst zu regeln und auch für die Fälle der Nichtannahme des Amtes und einer vorzeitigen Amtsbeendigung Vorsorge zu treffen.

Hat der Erblasser die Testamentsvollstreckung selbst angeordnet und ist der eingesetzte Testamentsvollstrecker aus welchen Gründen auch immer weggefallen, so ist nicht ohne weiteres ein Ersuchen um Ernennung eines anderen Testamentsvollstreckers anzunehmen. Vielmehr ist zu prüfen, ob das Testament in seiner Gesamtheit den Willen des Erblassers erkennen lässt, die Testamentsvollstreckung auch nach dem Wegfall der vom Erblasser benannten Person fortdauern zu lassen. Entscheidend dafür ist, ob der Erblasser bei Berücksichtigung der später eingetretenen Sachlage mutmaßlich die Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht gewollt hätte. Insoweit kann insbesondere von Bedeutung sein, welche Gründe den Erblasser zur Anordnung der Testamentsvollstreckung bestimmt haben, und ob diese Gründe, von seinem Standpunkt aus, auch nach dem Wegfall der im Testament benannten Person fortbestehen. Der entsprechende Wille des Erblassers, das Nachlassgericht zu ersuchen, muss aber stets irgendwie, sei es auch nur unvollkommen oder versteckt, im Testament zum Ausdruck gekommen sein.

Gemessen an diesen Vorgaben lässt sich im vorliegenden Fall ein wirksames Ersuchen der Erblasserin an das Nachlassgericht, an Stelle des Beteiligten zu 1) eine andere Person zum Testamentsvollstrecker zu ernennen, nicht feststellen.

Für Fragen auf dem Gebiet des Erbrechts steht Ihnen Herr Rechtsanwalt Justizrat Dr. Manfred Birkenheier, Fachanwalt für Erbrecht, gerne zur Verfügung.

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