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Auslegung des Begriffs "vorhandenes Bargeld" in einem privatschriftlichen Testament

|   Erbrecht

(OLG München, Beschluss vom 05.04.2022 – AZ: 33 U 1473/21– ZErb 2022, 357-363 -)

Leitsatz

Wendet ein Erblasser im Wege des Vermächtnisses mehreren Vermächtnisnehmern das bei seinem Tode "vorhandene Bargeld" zu, ist eine Auslegung, wonach dieses Bargeld auch "leicht verfügbare Bankguthaben" erfasst (OLG Karlsruhe ZEV 2007, 380), möglich, aber nicht zwingend.

Es gibt keine Regel, nach der unter dem Begriff "Bargeld" zwangsläufig auch das auf Bankkonten liegende Geld umfasst wird. Das auf Bankkonten liegende Geld ist ersichtlich "unbar".

Sachverhalt

Die beiden Beklagten haben die am 25.08.2017 verstorbene Erblasserin aufgrund eines Testaments vom 24.03.2015 gemeinschaftlich beerbt. In diesem Testament ordnete die Erblasserin u. a. zugunsten des Klägers zwei Vermächtnisse an:

"…..

5. Mein Haus in der F.straße 19 erhält mein Patenkind D mit der Auflage Frau M., solange sie will, darin wohnen zu lassen.

…..

12. Mein vorhandenes Bargeld wird in 19 Teile aufgeteilt. Es erhalten:
1. Teil D.

……."

Das in Ziffer 5 genannte Hausgrundstück wurde im Juli 2017 aufgrund eines notariellen Schenkungsvertrages an die Enkelin der Erblasserin übertragen, wobei die Erblasserin nicht selbst handelte, sondern von der Beklagten zu 1) aufgrund einer dieser erteilten notariellen Vorsorgevollmacht vertreten wurde.

Der Kläger macht mit seiner Klage geltend, die Schenkung der ihm in Ziffer 5 des Testaments per Vermächtnis zugewendeten Immobilie an die Enkelin der Erblasserin sei rechtswidrig gewesen, sodass er weiterhin Anspruch auf Übereignung dieser Immobilie habe (wird ausgeführt).

Darüber hinaus ist er der Ansicht, dass auch ein deutlich höherer Zahlungsanspruch als vom Landgericht angenommen bestehe. Denn unter dem im Testament verwendeten Begriff "Bargeld" habe die Erblasserin ihr gesamtes Geldvermögen verstanden, insbesondere auch private Bankkonten, Scheine und Münzen und auch das Buchgeld, nicht jedoch nur das im Zeitpunkt ihres Ablebens vorhandene physische Bargeld (Scheine und Münzen).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dabei hat es im Hinblick auf das vermächtnisweise zugewendete Bargeld die Ansicht vertreten, die Testamentsauslegung ergebe, dass es sich bei dem zugewendeten Bargeld tatsächlich nur um das im Zeitpunkt des Ablebens der Erblasserin vorhandene physische Barvermögen handeln sollte.

Mit der hiergegen eingelegten Berufung verlangt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Übereignung der Immobilie sowie im Wege der Stufenklage Auskunft über den Bestand des Bargeldes einschließlich des Buchgeldes, d. h. Forderungen gegenüber einer Bank auf Geldauszahlung sowie nach Auskunftserteilung die Auszahlung eines Anteils von 1/19 hiervon, jedoch höchstens 1 Million € nebst Zinsen.

Entscheidungsgründe des OLG München

Die Berufung ist unbegründet.

Die Auslegung des Testaments der Erblasserin ergibt, dass die Erblasserin ihre kleinteiligen Verfügungen in für sie absteigender Bedeutung vorgenommen hat. Während die Erbeinsetzungen zugunsten der beiden Beklagten an der Spitze des Testaments stehen, folgen die weiteren Verfügungen einer absteigenden Systematik, wonach zunächst umfangreich Immobilien, dann Bargeld und schließlich Schmuck zugewendet wird. Dass das Bargeld gegen Ende des Testaments erwähnt wird, ist ein Indiz dafür, dass die Erblasserin damit nur das physisch vorhandene Bargeld meinte und nicht in einer Größenordnung verfügen wollte, die nach den Wertvorstellungen des Klägers durchaus eine Erbeinsetzung hätte gleich kommen können.

Es mag sein, dass es Konstellationen gibt, in denen unter dem Begriff des Bargeldes auch andere Geldformen verstanden werden können. In einer Entscheidung aus dem Jahre 2003 ging das Bayerische Oberste Landesgericht davon aus, dass es nach der Lebenserfahrung keinesfalls fern liege, dass der Erblasser mit dem Begriff "Barschaft" nicht nur den – geringen – Bargeldbestand im Haus bzw. in der Geldbörse gemeint hat, sondern auch die (leicht verfügbaren) Bankguthaben. Ähnliches ergibt sich aus der vom Kläger zitierten Entscheidung des OLG Karlsruhe (ZEV 2007, 380), wonach sich "frei veräußerliche Kapitalanlagen, wie sie die hinterlassenen Depots enthalten haben, noch zwanglos dem Begriff des Bargeldes" zuordnen lassen. Schließlich hat auch der BGH in der Entscheidung IV ZR 17/74 die Entscheidung der Vorinstanz gebilligt, das vom Begriff "Barvermögen" auch das auf Konten vorhandenen Buchgeld samt Wertpapierdepot umfasst sein kann/ist.

Zwingend in dem Sinne, dass vom Begriff "Bargeld" auch zwangsläufig das auf Konten vorhandene Buchgeld umfasst ist, ist dies indessen nicht und in keiner der genannten Entscheidungen wurde dies so judiziert. Soweit in der Literatur vertreten wird, dass das Wort "Barvermögen" nicht auf das Bargeld beschränkt sei, sondern in der Regel auch das auf diversen Bankkonten liegende Geld umfasse, ist dem Senat eine solche Regel nicht bekannt. Im Gegenteil: Das auf Bankkonten liegende Geld ist ersichtlich "unbar". Vielmehr gibt es gewichtige Argumente für die Auslegung des Begriffs "vorhandenes Bargeld" in Richtung der physisch vorhandenen Münzen und Scheine.

Im Übrigen widerspricht sich der Kläger in diesem Zusammenhang. Denn wenn die Erblasserin nach seinen Angaben eine erfahrene Geschäftsfrau war, die ihre Vermögenswerte nicht wie eine misstrauische ältere Dame zu Hause unter dem Kopfkissen lagerte, liegt es doch nahe, dass sie wusste, was sie mit dem Begriff "Bargeld" ausdrückt. Ohne weiteres hätte sie den Begriff "Geld" verwenden können, um diesem einen weiteren Bedeutungsgehalt zu geben. Ein gewichtiges Indiz kommt daher dem Umstand zu, dass es sich bei der Erblasserin unstreitig um eine wirtschaftlich erfahrene Person handelte, die z. B. nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten noch wenige Wochen vor ihrem Tod einer Kreditaufnahme von 350.000,00 € zugestimmt hat. Bei einer solchen Person liegt es nahe, dass sie sich über den Begriff des "vorhandenen Bargeldes" entsprechende Gedanken gemacht und ihn nicht zufällig oder leichtfertig verwendet hat.

Auch die vom Kläger vorgetragenen Rechenmodelle erbringen keinen Nachweis dafür, dass die Erblasserin mit dem Begriff Bargeld mehr gemeint haben müsse als das physisch vorhandene Bargeld. Der Kläger ist insoweit der Ansicht, aus dem von ihm geschätzten und seinen Berechnungen zugrunde gelegten Barvermögen in Höhe von 100 Millionen € ließe sich errechnen und vor allem nachweisen, dass die Erblasserin eine wirtschaftliche Gleichbehandlung der in dem Testament genannten Vermächtnisnehmer angestrebt habe.

Diese Auslegung kommt nicht in Betracht, da im Rahmen der Testamentsauslegung schon nicht die vom Kläger eingeführte Rechengröße von 100 Millionen € zugrunde gelegt werden kann. Denn das Landgericht hat kein Barvermögen der Erblasserin in dieser Größenordnung zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments festgestellt. Auch die Beklagten haben die Berechnungen des Klägers in Abrede gestellt.

Auch lassen sonstige, außerhalb der Urkunde liegende Umstände keine Gleichbehandlungsabsicht der Erblasserin erkennen, zumal eine solche im Testament nicht andeutungsweise oder versteckt zum Ausdruck gekommen ist und daher, selbst wenn sie vorgelegen hätte, unbeachtlich wäre.

Aus diesen Gründen ist im konkreten Fall der Begriff des Bargeldes dahin auszulegen, dass damit allein das bei der Erblasserin physisch vorhandene Bargeld (Scheine/Münzen) gemeint ist.

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