Detail

Bedeutende Rechtsprechungsänderung zur Vermutungsregelung des § 476 BGB

|   Newsletter 02/2017

(BGH, Urteil vom 12.10.2016 – AZ: VIII ZR 103/15 -, Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 4. Juni 2015 – AZ: C-497/13 -)

Ist die Kaufsache mangelhaft, ist zur begründeten Geltendmachung von Gewährleistungsrechten erforderlich, dass dieser Mangel auch bereits bei Gefahrübergang, also regelmäßig bei Übergabe der Sache vorlag. Die Beweislast hierfür obliegt dem Käufer. Bei einem Verbrauchsgüterkauf soll hier § 476 BGB Hilfestellung geben, wonach vermutet wird, dass die Sache bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn sich der Mangel innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang gezeigt hatte.

Die bisherige Rechtsprechung war, dass die Vermutung nur in zeitlicher Hinsicht wirkte. Der Käufer musste beweisen, dass der Kaufgegenstand mangelhaft ist. Hierbei war, insbesondere bei Kraftfahrzeugen, häufig unklar, ob der sich zeigende Defekt auf einen Mangel oder einen Fahr- oder Bedienungsfehler zurückzuführen war. Wenn der Beweis für einen Mangel im Prozess durch den Käufer nicht geführt werden konnte, verlor er den Rechtsstreit.
 
Durch die obenstehenden Urteile ändert sich dies. Der EuGH hat in seiner Entscheidung die Frage der Beweislastverteilung und die Auslegung von Artikel 5 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie geklärt. Die Rechte von Käufern wurden gestärkt. Der Käufer muss zwei Dinge beweisen:
 
Erstens das Vorliegen einer Vertragswidrigkeit, also eines Defekts. „Er muss weder den Grund für die Vertragswidrigkeit noch den Umstand beweisen, dass sie dem Verkäufer zuzurechnen ist. Zweitens muss der Verbraucher beweisen, dass die in Rede stehende Vertragswidrigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar geworden ist, also sich ihr Vorliegen tatsächlich herausgestellt hat. Wenn diese Tatsachen nachgewiesen sind, ist der Verbraucher vom Nachweis befreit, dass die Vertragswidrigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung des Gutes bestand. Das Auftreten dieser Vertragswidrigkeit in dem kurzen Zeitraum von sechs Monaten erlaubt die Vermutung, dass sie zum Zeitpunkt der Lieferung „zumindest im Ansatz“ bereits vorlag, auch wenn sie sich erst nach der Lieferung des Gutes herausgestellt hat“.
 
Grund für die Entscheidung war, dass der Nachweis eines Grundmangels für den Verbraucher oft eine unüberwindbare Schwierigkeit war. Verbraucher wurden hierdurch oftmals von der Geltendmachung ihrer Rechte abgehalten. Für den Verkäufer als  Gewerbetreibenden wird es in der Regel viel leichter zu beweisen sein, dass die Vertragswidrigkeit nicht zum Zeitpunkt der Lieferung bestand und sie beispielsweise auf einen unsachgemäßen Gebrauch durch den Verbraucher zurückzuführen ist.

Da der Bundesgerichtshof wegen des Umsetzungsgebots nach Artikel 288 Abs. 3 AEUV und des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue verpflichtet ist, die eigene Rechtsprechung soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der europäischen Richtlinie auszulegen, erfolgte mit dem Urteil des BGH die Abkehr von der bisherigen ständigen Rechtsprechung hin zu einer verbraucherfreundlichen Auslegung des § 476 BGB.

TIPP:: Wenn sich innerhalb von sechs Monaten nach Erhalt einer gekauften Sache ein Mangel zeigt, sollten sie sich nicht mit der Begründung des Verkäufers abspeisen lassen, für den Mangel seien Sie selbst verantwortlich. Da die Rechtsprechungsänderung noch neu ist, ist dies zu erwarten. Gerne helfen wir Ihnen, Ihre Rechte durchzusetzen.

 
Für ergänzende Erläuterungen steht Ihnen Frau Rechtsanwältin Lisa-Kathrin Held gerne zur Verfügung.

Zurück