Der zitierten Entscheidung lag – zusammengefasst – der folgende Sachverhalt zu Grunde:
Der Kläger als Insolvenzverwalter nahm den Beklagten als (ehemaligen) Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin aus § 64 Satz 1 GmbHG auf Erstattung von Zahlungen in Höhe von insgesamt rund EUR 200.000 in Anspruch mit der Behauptung, diese Zahlungen seien nach Eintritt der Überschuldung der Insolvenzschuldnerin geleistet worden und nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar gewesen. Der Beklagte trat dieser Inanspruchnahme mit der Behauptung entgegen, zum Zeitpunkt dieser Zahlungen sei die Insolvenzschuldnerin nicht überschuldet gewesen, da u. a. eine von der Insolvenzschuldnerin gegen einen Drittschuldner erstinstanzlich geltend gemachte – von dem Drittschuldner aber in voller Höhe bestrittene – Forderung in der Überschuldungsbilanz der Insolvenzschuldnerin habe aktiviert werden dürfen. Der Klage wurde stattgegeben und die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten als unbegründet zurückgewiesen.
Von Interesse sind insbesondere die Ausführungen des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg zu den Anforderungen an eine Überschuldungsbilanz.
So führt das Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg aus, dass die im Rahmen der Überschuldungsprüfung zu erstellende Überschuldungsbilanz auf der Grundlage von Liquidationswerten und unter Berücksichtigung des Gebots der vorsichtigen Bewertung zu erstellen ist. Die entsprechende Anwendung des handelsbilanziellen Gebots der vorsichtigen Bewertung im Rahmen der Pfüung einer insolvenzrechtlichen Überschuldung wird damit begründet, dass „es im Rahmen der Überschuldungsprüfung gemäß § 19 InsO erst Recht um die realistische Beurteilung der Lebensfähigkeit der Gesellschaft und insofern in erster Linie um den Gläubiger- und Verkehrsschutz geht. Mit Blick hierauf muss eine Überbewertung von Vermögensgegenständen vermieden werden, die eine unzutreffende Verneinung der Insolvenzreife zu Folge hätte. Ziel der insolvenzrechtlichen Überschuldungsprüfung ist vielmehr eine möglichst realistische Einschätzung des Unternehmenswerts, was insofern im Rahmen des § 19 InsO dazu führt, dass im Falle einer streitigen Forderung auch die reale Möglichkeit eines vollständigen Forderungsausfalls zu berücksichtigen ist“.
Im Ergebnis hat in der Überschuldungsbilanz ein Ansatz einer bestrittenen Forderung gänzlich zu unterbleiben. Die Möglichkeit einer bloßen Wertberichtigung der streitigen Forderung unter Vornahme eines Abschlages schließt das Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg dagegen aus, da einer solchen Wertberichtigung „jede praktikable Grundlage“ fehlt und es „nicht allein der eigenen Einschätzung des Geschäftsführers überlassen werden [kann], eine der Sache nach gebotene Wertberichtigung zu quantifizieren und hierdurch quasi über die Insolvenzreife der Gesellschaft zu disponieren“.
TIPP: Diese Entscheidung macht deutlich, wie risikobehaftet eine Tätigkeit als GmbH-Geschäftsführer – insbesondere in der Krise der Gesellschaft – ist. Bereits bei ersten Anzeichen einer Krise sollte daher fachkundige Hilfe in Anspruch genommen werden. Sprechen Sie uns gerne an.
Detail
Berücksichtigung einer bestrittenen Forderung in der Überschuldungsbilanz; Haftung des Geschäftsführers gemäß § 64 Satz 1 GmbHG
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Newsletter 04/2017
(Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 13. Oktober 2017 – AZ: 11 U 53/17, zitiert nach juris -)