Detail

Fehlende Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten für den ersten Erbfall

|   Erbrecht

(OLG München, Beschluss vom 12.11.2019 – AZ: 31 Wx 183/19 – juris)

Leitsätze:

  1. Bedenken die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament die gemeinsamen Kinder als Schlusserben und fehlt eine Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten für den ersten Erbfall, bildet die Verwendung der Begriffe "nach unserem Tod" und "wir" keine hinreichende Andeutung für einen entsprechenden Willen der Ehegatten für eine Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten (Anschluss an BGHZ 80, 242; OLG München FG Prax 2013, 72).
  2. Das Nachlassgericht kann einen entsprechenden Willen der Ehegatten bei der Errichtung der Verfügung unterstellen, ohne diesen zuvor im Wege der Beweisaufnahme zu ermitteln, wenn es für den unterstellten Willen im Testament keine hinreichende Andeutung zu erkennen vermag (Anschluss an BGH NJW 2019, 2317, 2319).

Sachverhalt

Die am 22.08.2018 Verstorbene Erblasserin hinterlässt ihren Ehemann und die beiden gemeinsamen Kinder.

Die Ehegatten errichteten am 10.08.2002 ein von ihnen eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament, in dem es auszugsweise heißt:

"Wir (Ehemann)… und (Ehefrau)... wollen dass nach unserem Tod das Haus unser Sohn bekommt. Er muss aber unserer Tochter 35 % ausbezahlen. Wenn noch Geld vorhanden ist, bekommt jedes die Hälfte.

Der Sohn bekommt die Münzen und Vaters Sachen. Die Tochter bekommt Schmuck, Puppen, Handarbeiten, Kaffee- und Speiseservice, Silber-Besteck.

(Unterschriften)"

Auf der Grundlage dieses Testaments beantragte der Ehemann beim Nachlassgericht einen Erbschein, der ihn als Alleinerben seiner Ehefrau ausweisen sollte.

Das Nachlassgericht lehnte die Erteilung eines entsprechenden Erbscheins ab. Es war der Ansicht, dass das fragliche Testament keine Regelung für den ersten Erbfall enthalte. Dagegen richtete sich die Beschwerde des Ehemannes.

Entscheidungsgründe des OLG München

Die Beschwerde bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Zutreffend ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beschwerdeführer die Erblasserin nicht aufgrund des Testaments vom 10.08.2002 allein beerbt hat.

Denn das Testament vom 10.08.2002 enthält – was auch vom Beschwerdeführer nicht angezweifelt wird – keine ausdrückliche Erbeinsetzung des Beschwerdeführers für den ersten Erbfall. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ergibt sich eine Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten für den ersten Erbfall auch nicht durch Auslegung der Verfügung.

Zwar kommt es bei einer Testamentsauslegung gemäß § 133 BGB auf den wirklichen Willen des Erblassers an, ohne am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Eine Erbeinsetzung, die in dem Testament jedoch nicht enthalten und nicht einmal angedeutet ist, kann den förmlichen Voraussetzungen eines wirksamen Testaments nicht gerecht werden. Sie ermangelt der gesetzlich vorgeschriebenen Form und ist daher gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig.

Auch wenn Ehegatten sich üblicherweise gegenseitig selbst bedenken, stellt diese Tatsache keinen ausreichenden Anhalt für eine gegenseitige Erbeinsetzung dar. Eine solche kann daher nicht allein aufgrund der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments angenommen werden (BGH NJW 1981, 1737, 1738). Daher teilt Senat die Ansicht des Nachlassgerichts, dass das verfahrensgegenständliche Testament für den ersten Erbfall der Ehegatten keine Erbeinsetzung des Beschwerdeführers enthält. Denn für eine Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten findet sich in dem Testament keine hinreichende Andeutung. Eine solche ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Ehegatten in dem Testament von "unserem Tod" gesprochen haben. Denn diese Formulierung kann ebenso bedeuten, dass die Eheleute nur den Tod des Letztversterbenden regeln wollten im Sinne von "wenn wir beide tot sind…". Auch der Umstand, dass die Ehegatten im Testament von "unserem Haus" gesprochen haben, enthält keine hinreichende Andeutung dafür, dass der überlebende Ehegatte beim ersten Erbfall alleiniger Erbe werden solle.

TIPP:Die vorstehende Entscheidung macht deutlich, wie riskant es ist und welche unerfreulichen Ergebnisse es haben kann, wenn juristische Laien ohne fachkundige Beratung ein handschriftliches Testament errichten.

Zurück