Detail

Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten

|   Insolvenzrecht (s. auch Sanierungsrecht)

(Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz) und statuierte Pflichten der Mitglieder eines Vertretungsorgans bei haftungsbeschränkten Unternehmensträgern im StaRUG (Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz)

1. 
Der Deutsche Bundestag hat am 11.06.2021 den zuvor von der Bundesregierung am 03.03.2021 beschlossenen Entwurf für ein Sorgfaltspflichtengesetz in Lieferketten in der vom Ausschuss für Arbeit und Soziales geänderten Fassung beschlossen. Der Bundesrat verzichtete am 25.06.2021 auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses und hat somit das Gesetz gebilligt. Das Gesetz kann mithin nach der Ausfertigung zum 1. Januar 2023 in Kraft treten.

Das Lieferkettengesetz betrifft sämtliche Unternehmen, unabhängig von ihrer Rechtsform und statuiert Sorgfaltspflichten für Unternehmen, die ihre Hauptverwaltung, Hauptniederlassung oder satzungsgemäßen Sitz in Deutschland haben und mehr als 3000 Arbeitnehmer bzw. ab dem 1. Januar 2024 mehr als 1000 Arbeitnehmer beschäftigen. Betroffen sind nach dem Stand des Gesetzesentwurfs 2891 Unternehmen in Deutschland (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 19/28649 S. 26 unter Verweis auf das Unternehmensregister (DESTATIS)). Unternehmen werden nach diesem Gesetz verpflichtet, in ihren Lieferketten die im Gesetz näher definierten menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Die zu beachtenden Menschenrechte sind solche, die sich aus den in den Nr. 1 – 11 der Anlage zu § 2 aufgelisteten Übereinkommen ergeben. Auch das Verbot der Herbeiführung schädlicher Umweltveränderungen legt Unternehmen zusätzliche Sorgfaltspflichten auf, wobei diese Sorgfaltspflichten sich nur dann ergeben, wenn aus der Umweltveränderung Menschenrechtsverletzungen von natürlichen Personen resultieren gem. § 2 Abs. 2, Ziffer 9.

Hauptbestandteil des Lieferkettengesetzes sind die §§ 3 – 9, in denen eine auf die gesamte Lieferkette bezogene menschenrechtliche Sorgfaltspflicht statuiert und näher entfaltet wird. Hierzu zählen neben der Einführung eines Risikomanagements auch die Durchführung einer angemessenen Risikoanalyse sowie die Verabschiedung einer Grundsatzerklärung, in der das Verfahren beschrieben werden muss mit dem das Unternehmen seinen Sorgfaltspflichten nachkommt.

Die Verletzung von Pflichten nach dem Lieferkettengesetz sind als Ordnungswidrigkeiten für den Fall der Verletzung durch natürliche Personen mit Geldstrafen bis zu 800.000,00 € gem. § 24 belegt. Durch den Verweis auf § 30 Abs. 2 Satz 3 OWiG verzehnfacht sich der Bußgeldrahmen für juristische Personen, sodass er bis zu 8 Millionen € beträgt.

Die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens umstrittenste Frage war und ist, ob Betroffene im Fall der Verletzung der im Lieferkettengesetz geregelten Sorgfaltspflichten deutsche Unternehmen vor deutschen Gerichten erfolgreich auf Schadensersatz in Anspruch nehmen können. Eine eigenständige Haftungsregelung hierzu enthält das Lieferkettengesetz nicht. Ausgeschlossen werden kann dennoch nicht, dass eine Haftung aufgrund der im Lieferkettengesetz statuierten Sorgfaltspflichten nach deutschem oder gegebenenfalls anwendbarem ausländischen Deliktsrecht begründet sein kann (Dr. Eric Ehmann, in: ZVertriebsR 2021, 141 (150)).

Für Unternehmen wird das Gesetz somit zu einem bürokratischen und finanziellen Mehraufwand führen, der zusätzlich weitere Haftungsrisiken begründet. Es ist mithin zu empfehlen, frühzeitig auf die gesetzlichen Vorgaben zu reagieren, um die normierten Sorgfaltspflichten, auch wenn das Gesetz erst zum 01. Januar 2023 in Kraft treten soll, rechtzeitig umsetzen zu können, die sicherlich einen gewissen zeitlichen Vorlauf benötigen. Hinzuweisen ist darauf, dass auch bereits großen kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften zumindest entsprechende Berichtserstattungspflichten im Lagebericht nach jetzigem Gesetzesstand (§§ 289b, 289c HGB) auferlegt werden, da diese ihren Lagebericht um eine nicht finanzielle Erklärung, u. a. bezogen auf die Achtung der Menschenrechte, zu erweitern haben.

Ob die Implementierung von Kontroll- und Sorgfaltspflichten entlang der Lieferketten tatsächlich zur Verbesserung der Menschenrechtssituation, insbesondere bei internationalen Lieferketten, vor Ort beitragen, bleibt abzuwarten, ebenso wie der Umstand, ob und wie sich die Einhaltung der Vorgaben des Lieferkettengesetzes auf internationaler Ebene umsetzen lässt.

2. 
Das Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG) vom 22. Dezember 2020 statuiert nunmehr in § 1 eine allgemeine und Rechtsform übergreifende Regelung zur Krisenfrüherkennungs- und -reaktionspflicht der Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Rechtsträger. Die Geschäftsleiter haben hiernach fortlaufend über die Entwicklungen, welche den Fortbestand der juristischen Person gefährden könnten, zu wachen. Erkennen sie solche Entwicklungen, ergreifen sie geeignete Gegenmaßnahmen und erstatten den zur Überwachung der Geschäftsleitung berufenen Organen (Überwachungsorganen) unverzüglich Bericht. Gleiches gilt bei Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit. Unberührt bleiben selbstverständlich weitergehende Pflichten, die sich aus anderen Gesetzen ergeben.

Die konkrete Ausformung und Reichweite dieser Pflicht ist von der Größe, Branche, Struktur und auch der Rechtsform des jeweiligen Unternehmens abhängig. Den Geschäftsleiter soll jedoch in jedem Fall die Verpflichtung treffen, die Verhältnisse des Unternehmensträgers und die Entwicklungen, die für die Tätigkeit des Unternehmensträgers relevant sind, laufend daraufhin zu beobachten und zu überprüfen, ob sie das Potenzial haben, bei ungehindertem Fortgang der Fortbestand des Unternehmens zu gefährden.

Spätestens diese nunmehr im Gesetz normierte Verpflichtung dürfte dazu führen, dass auch etwaige Risiken aus dem Lieferkettengesetz und damit insbesondere etwaigen Risiken aus den unmittelbaren Lieferketten im Rahmen der Krisenfrüherkennung einzupreisen und zu berücksichtigen sind. Auch wenn diese Risiken möglicherweise lediglich kleinere Risiken darstellen, die für sich genommen nicht existenzgefährdend sind, gebietet der Wortlaut des Gesetzes eine entsprechende Berücksichtigung, da Krisen meist nicht durch die Realisation eines einzelnen existenzgefährdenden Einzelrisikos eintreten, sondern aus einer Gesamtschau von einzelnen, oft für sich einzeln betrachtet nicht existenzgefährdeter Risiken entstehen.

Diese bisher als allgemeine Geschäftsleiterpflicht angesehene und nunmehr gesetzlich normierte Verpflichtung verfolgt selbstverständlich das Ziel, Insolvenzverfahren möglichst zu vermeiden.

Wird ein entsprechendes Früherkennungssystem seitens des Geschäftsleiters nicht implementiert, kann ein Gesetzes- und damit Pflichtenverstoß vorliegen. In diesem Fall kann sich der Geschäftsleiter nicht mehr auf den sicheren Hafen der Business Judgement Rule berufen. Es bestehen mithin nicht unerhebliche Haftungsrisiken des Geschäftsleiters auch gegenüber der eigenen Gesellschaft oder möglicherweise einem späteren Insolvenzverwalter. Problematisch wird in entsprechenden Haftungsprozessen sein, dass Geschäftsleiter darzulegen und zu beweisen haben, dass sie die entsprechenden Sorgfaltspflichten gem. § 43 Abs. 1 GmbHG erfüllt haben und ihnen darüber hinaus kein Verschulden vorzuwerfen ist, bzw. der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre. Es kann mithin möglicherweise dazu kommen, dass bei Entscheidungen ohne eine Berücksichtigung der Informationen aus dem eingerichteten Krisenfrüherkennungssystem eine Garantiehaftung des Organs für die jeweilige möglicherweise fehlerhafte Entscheidung entsteht.

Auch für Steuerberater dürften hieraus möglicherweise nicht unerhebliche Haftungsrisiken drohen (dazu A. Nickert, C. Nickert, in: DStR 2021, 883).

Zurück