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Nachweis der Echtheit einer Testamentskopie und des Widerrufs durch Vernichtung des Originals

|   Newsletter 03/2019

(Kammergericht Berlin, Beschluss vom 03.08.2018 – 6 W 52/18 – ErbR 2019, 33 – 36)

Leitsätze:

  1. Die Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung wird nicht dadurch berührt, dass die Testamentsurkunde ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden, verloren gegangen oder sonst nicht auffindbar ist.
  2. Errichtung und Inhalt eines Testaments kann in diesen Fällen gemäß § 2356 Abs. 2 BGB a.F. mit Hilfe anderer Beweismittel dargetan werden, wobei an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind.
  3. Das Ergebnis einer Begutachtung durch einen Schriftsachverständigen, dass die Errichtung des Testaments durch den Erblasser "wesentlich wahrscheinlicher ist als die These einer Nachahmung oder Fälschung", ist der Tatsache geschuldet, dass die Testamentsschrift nur in Kopie vorliegt, und kann durch weitere Indizien erhärtet werden.
  4. Die fehlende Auffindbarkeit des Originaltestaments lässt allein nicht auf eine Vernichtung durch den Erblasser in Widerrufsabsicht schließen und reicht auch für eine dahingehende Vermutung nicht aus; beweisbelastet für den Widerruf ist derjenige, der seine Rechte aus der gesetzlichen Erbfolge herleiten will.

Sachverhalt

Beteiligte des Verfahrens waren die beiden Söhne des Erblassers aus dessen erster und zweiter Ehe. Weitere Beteiligte war die Tochter der vorverstorbenen dritten Ehefrau des Erblassers, also seine Stieftochter.

Es lag ein eigenhändig vom Erblasser geschriebenes und unterschriebenes Testament vom März 2016 vor. Darin hatte der Erblasser der Tochter seiner Stieftochter im Wege des Vermächtnisses eine Kapitalanlage im Wert von 10.000,00 € zugewendet.

Die Stieftochter legte dem Nachlassgericht die Kopie einer letztwilligen Verfügung des Erblassers vom 31.03.2011 vor, die ihre Einsetzung zu seiner Alleinerbin enthielt.

Einer der beiden Söhne beantragte die Erteilung eines Erbscheins, der ihn selbst und seinen Bruder als gesetzliche Erben zu je 1/2 ausweisen solle. Er bestritt, dass der Erblasser das von der Stieftochter in Kopie vorgelegte Testament eigenhändig geschrieben und unterschrieben habe. Außerdem behauptete er, der Erblasser habe das Original dieses von der Stieftochter in Kopie vorgelegten Testaments jedenfalls später in Widerrufsabsicht vernichtet. Dies ergebe sich daraus, dass der Erblasser ihm gegenüber mehrfach geäußert habe, es solle die gesetzliche Erbfolge eintreten, er benötige deshalb kein Testament.

Die Stieftochter behauptete demgegenüber, der Erblasser habe nach entsprechender anwaltlicher Beratung das Testament vom 31.03.2011 eigenhändig geschrieben und unterschrieben, sodass sie entsprechend dem Inhalt dieses Testaments seine alleinige Erbin geworden sei. Aus Kostengründen habe der Erblasser das Testament jedoch nicht bei Gericht hinterlegen wollen. Er habe das Original bei seinen sonstigen Dokumenten aufbewahrt. Sie selbst habe sich zu Beweiszwecken eine Kopie angefertigt. Noch an seinem 90. Geburtstag, wenige Monate vor seinem Tod, habe der Erblasser ihr im Beisein ihres Ehemannes bestätigt, dass sich das Original des Testaments bei seinen Akten und Unterlagen befinde und weiterhin für seine Erbfolge maßgeblich sei.

Das Amtsgericht (Nachlassgericht) hat durch Einholung des Gutachtens eines Schriftsachverständigen Beweis über die Frage erhoben, ob das Testament vom 31.03.2011 eigenhändig vom Erblasser geschrieben und unterschrieben worden sei. Letzteres wurde durch den Sachverständigen bestätigt. Der antragstellende Sohn hat daraufhin die Echtheit der Unterschrift unter dem Testament nicht mehr in Abrede gestellt, jedoch weiterhin die Ansicht vertreten, der Text sei nicht vom Erblasser geschrieben worden, was durch diverse Abweichungen im Schreibstil bei einzelnen Buchstaben belegt sei.

Mit Beschluss vom 03.05.2018 hat das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag des Sohnes zurückgewiesen mit der Begründung, die formwirksame Errichtung des Testaments vom 31.03.2011 sei erwiesen und es könne nicht festgestellt werden, dass der Erblasser dieses Testament vor seinem Tod wirksam widerrufen habe.

Gegen diese Entscheidung erhob der Sohn Beschwerde. Diese blieb jedoch beim Kammergericht Berlin ohne Erfolg. Zur Begründung führte das Kammergericht aus:

Der Antrag des Sohnes auf Erteilung des Erbscheins sei nicht begründet, weil die beiden Söhne des Erblassers nicht dessen Erben geworden seien. Vielmehr richte sich die Erbfolge nach dem Testament des Erblassers vom 31.03.2011, wonach der Erblasser von der Stieftochter alleine beerbt worden sei. Dem stehe nicht entgegen, dass die Stieftochter das Testament, aus dem sie ihr alleiniges Erbrecht herleite, nicht im Original vorlegen könne. Grundsätzlich müsse zwar derjenige, der ein testamentarisches Erbrecht geltend macht, dies durch Vorlage der Original-Testamentsurkunde nachweisen. Es entspreche jedoch allgemeiner Ansicht, dass die Wirksamkeit eines Testaments nicht dadurch berührt werde, dass die Testamentsurkunde ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden, verloren gegangen oder sonst nicht auffindbar sei. Wenn das Original nicht mehr vorgelegt werden könne, könnten gemäß § 2356 Abs. 1 Satz 2 BGB die Errichtung und der Inhalt eines Testaments auch mit Hilfe anderer Beweismittel belegt werden, wobei allerdings an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen seien. Beweispflichtig für alle Voraussetzungen seiner Erbenstellung sei derjenige, der aus dem Testament Rechte herleiten wolle.

Dass der Erblasser im konkreten Fall das Testament vom 31.03.2011 von Hand geschrieben und unterschrieben habe, stehe durch das vom Nachlassgericht eingeholte Sachverständigengutachten fest. Zwar habe der Sachverständige als Ergebnis seines Gutachtens formuliert, dass die These, dass das Testament vom Erblasser geschrieben und unterschrieben worden sei, „wesentlich wahrscheinlicher“ sei als die These, dass es sich um eine Nachahmung oder Fälschung handele. Dies sei jedoch der Tatsache geschuldet, dass das Testament nur in Kopie vorliegt und deshalb bestimmte Analysen nicht vorgenommen werden konnten. Es komme hinzu, dass der Erblasser nachweislich seiner Stieftochter im Januar 2011 eine Bankvollmacht, im März 2011 eine Generalvollmacht und im April 2011 eine Betreuungsvollmacht erteilt habe. Dies sei ein gewichtiges Indiz dafür, dass er mit dem streitigen Testament vom 31.03.2011 seinen Wunsch, die Stieftochter zu seiner Erbin zu bestimmen, umgesetzt habe.

Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Erblasser das Testament vom 31.03.2011 in der Folgezeit durch Vernichtung widerrufen habe, seien nicht feststellbar. Dies gehe zu Lasten der Söhne, die ihre Rechte aus der gesetzlichen Erbfolge herleiten wollen. Diese wäre jedoch nur dann maßgeblich, wenn feststünde, dass der Erblasser das formwirksam errichtete Testament vom 31.03.2011 wirksam widerrufen hätte. Dass er das Original des Testaments mit Widerrufsabsicht vernichtet habe, lasse sich jedoch nicht feststellen. Dies lasse sich insbesondere nicht schon damit begründen, dass das Original nach dem Tod des Erblassers nicht mehr aufgefunden werden konnte. Der Widerruf eines Testaments setze eine bewusste Vernichtung durch den Erblasser in Widerrufsabsicht voraus, weshalb ein unfreiwilliger Verlust der Testamentsurkunde keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Testaments habe.

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