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Testieren mittels eines nicht datierten Notizzettels zugunsten einer nicht namentlich bezeichneten Person

|   Newsletter 03/2019

(Oberlandesgericht Braunschweig, Beschluss vom 20.03.2019 – 1 W 42/17 – NJW-RR 2019, 583-585 -)

Leitsätze:

  1. Auch in einem wenige Zentimeter großen handschriftlich beschriebenen Notizzettel kann grundsätzlich ein wirksames Testament liegen.
  2. Der Wirksamkeit eines "Notizzettel-Testaments" steht – wenn ein anderes Testament existiert – entgegen, dass der Notizzettel nicht datiert ist und sich die notwendigen Feststellungen über die Zeit seiner Errichtung auch nicht anderweitig treffen lassen.
  3. Insbesondere bei einem Schriftstück, das nicht den für Testamente üblichen Gepflogenheiten entspricht, muss außer Zweifel stehen, dass der Erblasser es mit Testierwillen erstellt hat; bei verbleibenden Zweifeln findet die Vorschrift des § 2084 BGB keine Anwendung.
  4. Eine Erbeinsetzung desjenigen, "der für mich aufpasst und [mich] nicht ins Heim steckt" ist nicht ausreichend bestimmt und daher nichtig.

Sachverhalt

Die am 22.01.2015 verstorbene Erblasserin hatte keine Kinder. Ihr Ehemann und ihre Eltern waren vorverstorben. Einzelheiten zu ihren Geschwistern sind im Erbscheinverfahren nicht bekannt geworden. Ein vorverstorbener Cousin der Erblasserin hatte zwei Kinder hinterlassen, die am Erbscheinverfahren als Beteiligte zu 2) und zu 3) beteiligt waren.

Am 28.03.2001 hatten die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann ein gemeinschaftliches privatschriftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Eine Schlusserbenbestimmung für den Fall des Todes des länger lebenden Ehegatten enthielt das Testament nicht. 

Mit notarieller Urkunde vom 15.05.2015 beantragte die Beteiligte zu 1) einen auf sie als Alleinerbin lautenden Erbschein und reichte zur Begründung einen nicht datierten wenige Zentimeter großen quadratischen Notizzettel mit dem folgenden handschriftlich geschriebenen Text bei dem Nachlassgericht ein:

 

"Wenn sich für mich
A… [Vor- und Nachname]

geb..… [Geburtsdatum]

einer findet, der für

mich aufpasst und

nicht ins Heim steckt

der bekommt mein

Haus und alles was

ich habe

A... [Unterschrift mit Vor- und Nachnamen]"

 

Die Beteiligte zu 1) trug vor, der Text auf dem Zettel sei von der Erblasserin geschrieben worden; es sei der Wille der Erblasserin gewesen, sie zur Alleinerbin einzusetzen. Lediglich aufgrund des frühzeitigen Todes der Erblasserin sei es nicht mehr zur Beurkundung eines bereits entworfenen notariellen Testaments gekommen. Sie ist der Ansicht, der Zettel stelle ein formgültiges Testament dar, mit dem die Erblasserin sie zur Alleinerbin eingesetzt habe.

Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag zurückgewiesen mit der Begründung, es könne offen bleiben, ob der handschriftliche Zettel von der Erblasserin selbst geschrieben sei. Denn er stelle jedenfalls keine letztwillige Verfügung dar. In dem Text sei kein Erbe namentlich bestimmt. Es sei lediglich festgelegt, welche nicht genannte Person, die noch zu bestimmen wäre, einmal Erbe werden solle. Gemäß § 2065 Abs. 2 BGB könne ein Erblasser eine letztwillige Verfügung aber nicht in der Weise treffen, dass ein anderer zu bestimmen habe, welche Person etwas erhalten solle. Daher habe die Erblasserin letztlich nicht testiert, sodass die gesetzliche Erbfolge gelte, nach der die Beteiligte zu 1) nicht Erbin sei.

Die gegen diese Entscheidung von der Beteiligten zu 1) eingelegte Beschwerde hatte keinen Erfolg. Zur Begründung führte das OLG Braunschweig im Wesentlichen aus:

 

Der nicht datierte handschriftlich beschriebene Zettel stelle kein gültiges ordentliches Testament im Sinne der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften dar. Dabei könne dahinstehen, ob der handschriftliche Text eigenhändig von der Erblasserin geschrieben und unterschrieben worden sei. Denn er erfülle, auch wenn dies so wäre, nicht die Voraussetzungen eines gültigen eigenhändigen Testaments. Er sei nicht datiert und die notwendigen Feststellungen über die Zeit der Errichtung ließen sich auch nicht anderweitig treffen. Auch stehe nicht außer Zweifel, dass die Erblasserin beim (unterstellten) Abfassen des Textes mit Testierwillen gehandelt habe. Außerdem wäre eine etwaige in dem Zettel liegende letztwillige Verfügung wegen Unbestimmtheit nichtig.

Würde es sich bei dem Zettel um ein Testament handeln, sei es nicht gültig, dass es nicht datiert sei und sich die notwendigen Feststellungen über die Zeit der Errichtung auch nicht anderweitig treffen ließen.

Zwar könne ein Testament durchaus auch auf einem "Notizzettel" errichtet werden. Wegen der fehlenden Angabe des Zeitpunkts der Errichtung des gegebenenfalls in dem Zettel liegenden Testaments sei hier aber nicht ausgeschlossen, dass der Zettel zeitlich vor dem gemeinschaftlichen privatschriftlichen Testament der Ehegatten vom 28.03.2001 errichtet worden sei und somit ein gegebenenfalls in dem Zettel zu sehendes (früheres) Testament durch das (spätere) gemeinschaftliche Testament vom 28.03.2001 widerrufen worden sei, da die Erblasserin darin ihren Ehemann zum Alleinerben eingesetzt habe.

Daneben stehe nicht außer Zweifel, dass die Erblasserin beim (unterstellten) eigenhändigen Abfassen des auf dem Zettel stehenden Textes mit Testierwillen gehandelt habe, d. h. mit dem Willen, ernstlich ein rechtsverbindliches Testament zu errichten. Ob ein solcher ernstlicher Testierwille vorgelegen habe, sei im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung aller erheblichen, auch außerhalb der Urkunde liegenden Umstände und der allgemeinen Lebenserfahrung zu beurteilen. Dabei seien, sofern die Form des Schriftstücks nicht den für Testamente üblichen Gepflogenheiten entspreche, an den Nachweis des Testierwillens strenge Anforderungen zu stellen. Bei verbleibenden Zweifeln finde die Vorschrift des § 2084 BGB, nach der im Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehen ist, bei der die Verfügung Erfolg haben kann, keine Anwendung.

Im konkreten Fall bestünden Zweifel am ernstlichen Testierwillen schon im Hinblick auf die äußere Form. Wie anhand des privatschriftlichen gemeinsamen Testamentes mit dem Ehemann aus dem Jahre 2001 ersichtlich sei, habe die Erblasserin die üblichen Gepflogenheiten beim Abfassen eines privatschriftlichen Testaments gekannt. Aus dem dortigen Schriftbild ergebe sich, dass die Erblasserin den Text des Testaments von 2001 selbst geschrieben und unterschrieben habe, während ihr Ehemann lediglich mitunterzeichnet habe. Die damalige Urkunde enthalte neben Orts- und Datumsangabe insbesondere auch die eindeutige Formulierung zur Erbeinsetzung. Dies alles fehle auf dem Notizzettel.

Auch die Formulierung des Textes auf dem Notizzettel wecke Zweifel am Vorliegen eines Testierwillens. Der Text könne auch so verstanden werden, dass die Erblasserin eine Übertragung ihres Hauses schon zu Lebzeiten in Aussicht stelle. Hinweise auf eine Regelung für den Fall des Todes der Erblasserin seien im Text nicht enthalten.

Schließlich wäre auch eine etwaige, in dem Zettel liegende letztwillige Verfügung nicht ausreichend bestimmt und daher nichtig. Erforderlich sei insbesondere die Bestimmung der Person des Bedachten. Diese müsse zwar nicht namentlich genannt sein, es sei aber erforderlich, dass sie anhand des Inhalts der Verfügung – gegebenenfalls unter Berücksichtigung von außerhalb der Urkunde liegenden Umständen – zuverlässig festgestellt werden könne. Soweit ein Testament unklare oder unvollständige Anordnungen enthält, müsse zunächst versucht werden, den erklärten Willen des Erblassers im Wege der Auslegung festzustellen. Sei der Wortlaut aber so unklar, dass die Auslegung ergebnislos bleiben muss, sei die Verfügung nichtig.

Im konkreten Fall führe die Auslegung des Textes nicht zu einem eindeutigen Ergebnis. Schon die Bedeutung der Formulierung "der für mich aufpasst" sei begrifflich völlig offen. Er sei einer zu einem eindeutigen Ergebnis führenden Auslegung nicht zugänglich [wird ausgeführt]. Daher sei der Text auf dem Notizzettel hinsichtlich der Person des Begünstigten zu unbestimmt, um eine wirksame Erbeinsetzung bewirken zu können. 

Für Fragen auf dem Gebiet des Erbrechts steht Ihnen Herr Rechtsanwalt JR Dr. Manfred Birkenheier, Fachanwalt für Erbrecht, gerne zur Verfügung.

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