Detail

Wirksamkeit der Ausschlagung einer in den Nachlass fallenden Erbschaft durch den Nachlasspfleger?

|   Erbrecht

(BGH, Beschluss vom 16.02.2022 – ErbR 2022, S. 594-597)

Leitsatz

Der Nachlasspfleger ist nicht berechtigt, mit Wirkung für die unbekannten Erben eine in den Nachlass des Erblassers gefallene weitere Erbschaft auszuschlagen. Das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft ist ein allein dem Erben bzw. seinen Rechtsnachfolgern, den Erbeserben, persönlich zustehendes Recht.

Sachverhalt

Mit diesem Beschluss hat der BGH eine in zweiter Instanz getroffene Entscheidung des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 29.09.2021 bestätigt.

Der Beteiligte zu 2) war vom Nachlassgericht zum Nachlasspfleger für die unbekannten Erben der am 25.02.2021 verstorbenen Erblasserin bestellt worden mit den Aufgabenkreisen Ermittlung der Erben sowie Sicherung und Verwaltung des Nachlasses. Die Erblasserin, die unter gerichtlicher Betreuung stand, war ihrerseits gesetzliche Miterbin ihres am 07.11.2020 vorverstorbenen Ehemannes. Dessen Nachlass war überschuldet. Deshalb hatte schon die für die Erblasserin gerichtlich eingesetzte Betreuerin mit notarieller Urkunde vom 04.02.2021 in deren Namen die Ausschlagung der Erbschaft nach dem Ehemann sowie die vorsorgliche Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist gegenüber dem Nachlassgericht erklärt und die Genehmigung der Ausschlagungserklärung durch das Betreuungsgericht beantragt. Infolge des Todes der Erblasserin wurde über diesen Antrag nicht mehr entschieden.

Mit notarieller Urkunde vom 25.03.2021 schlug der Nachlasspfleger für die unbekannten Erben der Erblasserin die Erbschaft nach dem Ehemann aus und erklärte vorsorglich die Anfechtung einer etwaigen Versäumung der Ausschlagungsfrist wegen Irrtums. Ferner beantragte er die nachlassgerichtliche Genehmigung der Ausschlagungserklärung.

Der vom Nachlassgericht zur Vertretung der unbekannten Erben in diesem Genehmigungsverfahren zum Verfahrenspfleger bestellte Beteiligte zu 1) trat dem Antrag unter Hinweis auf die Höchstpersönlichkeit des Ausschlagungsrechts entgegen.

Mit Beschluss vom 27.05.2021 erteilte das Nachlassgericht die beantragte Genehmigung. Diesen Beschluss hob das Oberlandesgericht auf die Beschwerde des Verfahrenspflegers hin auf und wies den Antrag des Nachlasspflegers auf Genehmigung der Ausschlagungserklärung zurück.

Hiergegen richtete sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Nachlasspflegers.

Entscheidungsgründe des BGH

Die Beschwerde ist unbegründet.

Der von dem Nachlassgericht gemäß § 1960 Abs. 2 BGB für unbekannte Erben zu bestellende Nachlasspfleger ist gesetzlicher Vertreter der Erben. In dieser Eigenschaft hat er seiner Hauptaufgabe, der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses für den wirklichen Erben nachzukommen und die Vermögensinteressen der noch festzustellenden Erben wahrzunehmen.

Dabei ist er nicht berechtigt, eine im Nachlass befindliche, dem Erblasser noch vor seinem Tod angefallene – unter Umständen überschuldete –  weitere Erbschaft (sogenannter Unternachlass ) für die unbekannten Erben anzunehmen oder auszuschlagen. Denn das Recht zur Ausschlagung  der Erbschaft ist ein allein dem Erben bzw. seinen Rechtsnachfolgern, den Erbeserben, persönlich zustehendes Recht.

Es besteht auch kein Sicherungsbedürfnis, welches es rechtfertigen könnte, dass der Nachlasspfleger die allein dem Erben bzw. dem Erbeserben vorbehaltene Entscheidung über die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft an sich ziehen müsste. Denn die Ausschlagungsfrist des Erbeserben für den Unternachlass endet, selbst wenn sie für den verstorbenen Erben – wie hier – bereits zu laufen begonnen hatte, frühestens mit dem Ende der Ausschlagungsfrist hinsichtlich des Hauptnachlasses.

Auch der Sache nach ist es nicht gerechtfertigt, danach zu differenzieren, ob es sich um die Ausschlagung der Erbschaft nach dem Erblasser oder um die Ausschlagung einer in den Nachlass des Erblassers gefallenen Erbschaft eines Dritten handelt. In beiden Fällen ist es eine persönliche Entscheidung des Erben bzw. Erbeserben, ob er die Erbschaft annimmt oder ausschlägt. Die Entscheidung hierüber wird erfahrungsgemäß nicht immer nur nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten getroffen, sondern es sind hierfür nicht selten auch persönliche Überlegungen, etwa ein besonderes Näheverhältnis zum Erblasser oder der Ruf und das Ansehen der Beteiligten von Bedeutung.

Auch ein Vergleich zwischen der gerichtlichen Betreuung und der Nachlasspflegschaft rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Denn die Rechtsstellung des Nachlasspflegers, der allein für die unbekannten Erben tätig wird, denen ihr Recht auf Ausschlagung erhalten bleiben soll, ist mit der Rechtsstellung eines gerichtlich bestellten Betreuers nicht zu vergleichen. Denn der gerichtlich bestellte Betreuer vertritt gemäß § 1902 BGB den Betreuten gerichtlich und außergerichtlich und ist in diesem Zusammenhang auch zur Ausschlagung berechtigt; er nimmt insoweit als gesetzlicher Vertreter das höchstpersönliche Recht des Erben auf Erbschaftsausschlagung in Anspruch.

Zurück