Newsletter 02/2017
Arbeitsrecht
Abgekürzte Kündigungsfrist in der Probezeit nur bei eindeutiger Vertragsgestaltung
Sieht der Arbeitsvertrag eine Probezeit von längstens sechs Monaten vor, kann das Arbeitsverhältnis gemäß § 622 Abs. 3 BGB ohne weitere Vereinbarung von beiden Seiten mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Ist jedoch in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag in einer weiteren Klausel eine längere Kündigungsfrist festgelegt, ohne unmissverständlich deutlich zu machen, dass diese längere Frist erst nach dem Ende der Probezeit gelten soll, ist dies vom Arbeitnehmer regelmäßig dahin zu verstehen, dass der Arbeitgeber schon während der Probezeit nur mit der vereinbarten längeren Frist kündigen kann.
Der Kläger war ab April 2014 bei der Beklagten als Flugbegleiter beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag, den die Beklagte vorformuliert hatte, war in § 1 pauschal bestimmt, dass sich die Rechte und Pflichten der Parteien nach einem Manteltarifvertrag richten; dieser sah während der Probezeit besondere Kündigungsfristen vor. In § 3 des Arbeitsvertrags war unter...
Versetzung – Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung?
Der 10. Senat möchte die Auffassung vertreten, dass der Arbeitnehmer im Anwendungsbereich des §106 GewO eine unbillige Weisung des Arbeitgebers auch dann nicht befolgen muss, wenn keine dementsprechende rechtskräftige Entscheidung der Gerichte für Arbeitssachen vorliegt. Damit weicht der Senat von der Rechtsprechung des Fünften Senats (22. Februar 2012 – 5 AZR 249/11 – Rn. 24, BAGE 141, 34) ab. Der Zehnte Senat fragt deshalb nach § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG an, ob der Fünfte Senat an seiner Rechtsauffassung festhält.
Der Kläger ist seit dem Jahr 2001 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Er war zuletzt als Immobilienkaufmann am Standort Dortmund eingesetzt. Zwischen den Parteien war im Jahre 2013/14 ein Kündigungsrechtsstreit anhängig, der zugunsten des Klägers ausging. Nachdem Mitarbeiter im März 2014 eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger abgelehnt hatten, teilte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 23. Februar 2015 mit, dass sie ihn für die Zeit vom 16. März...
Erbrecht
Der Streit über einen Pflichtteilsanspruch kann durch letztwillige Verfügung nicht der Entscheidung durch ein Schiedsgericht unterworfen werden
Schon seit längerer Zeit ist in der einschlägigen Fachliteratur umstritten, ob durch eine entsprechende Klausel in einer letztwilligen Verfügung, also in einem Testament oder einem Erbvertrag, angeordnet werden kann, dass etwaige Streitigkeiten über einen Pflichtteilsanspruch durch ein Schiedsgericht, also nicht durch die staatlichen Gerichte, entschieden werden sollen. In der erbrechtlichen Literatur wurde diese Frage ganz überwiegend verneint. Auch die wenigen Gerichtsentscheidungen (OLG Frankfurt, LG Heidelberg, OLG München), die zu dieser Frage bisher ergangen sind, haben die Frage verneint. Eine höchstrichterliche Entscheidung lag bisher nicht vor. Gegen die zuletzt zu dieser Frage ergangene Entscheidung des OLG München vom 25.04.2016 wurde Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof eingelegt.
Nunmehr hat der - für das Erbrecht eigentlich nicht zuständige - 1. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 16.03.2017 bestätigt, dass der Streit über einen Pflichtteilsanspruch nicht durch...
Eine Erbschaft, die einer Pflegeheim-GmbH zugewendet worden ist, unterliegt sowohl der Erbschaftsteuer als auch der Körperschaftsteuer
Eine GmbH, die ein Seniorenpflegeheim betreibt, wurde von einem im November 2012 verstorbenen Bewohner des Heimes durch notarielles Testament aus dem Jahre 2008 zu dessen alleiniger Erbin eingesetzt mit der Auflage, das geerbte Vermögen ausschließlich für Zwecke des Heimbetriebes (Instandhaltung, Modernisierung usw.) zu verwenden. Die im Hinblick auf das Annahmeverbot des § 14 Heimgesetz erforderliche Ausnahmegenehmigung war von der zuständigen Behörde erteilt worden.
Nach dem Erbfall setzte das zuständige Finanzamt gegenüber der GmbH für das angefallene Erbe in Höhe von 1.050.000 € Erbschaftsteuer in Höhe von 300.510,00 € fest. Außerdem erhöhte es den von der GmbH erklärten Gewinn des Streitjahres 2012 um das ihr nach Abzug der Testamentsvollstreckungskosten verbliebene geerbte Vermögen in Höhe von rund 1.040.000 € und setzte die Körperschaftsteuer für das Jahr 2012 auf 172.576,00 € fest. Einspruch und Klage der GmbH gegen den Bescheid über die Körperschaftsteuer blieben ohne...
Unwirksamkeit eines Testaments wegen fehlender Bestimmtheit der Benennung des Erben
In einem gemeinschaftlichen Testament trafen Ehegatten folgende Regelungen:
"Testament
Wir bestimmen gegenseitig, dass der Überlebende der Alleinerbe des Verstorbenen sein soll. Nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Ehegatten soll derjenige, der den zuletzt verstorbenen Ehegatten begleitet und gepflegt hat, der Alleinerbe sein."
Zunächst verstarb der Ehemann, später die Ehefrau. Beide waren kinderlos. Nach dem Tod der Ehefrau beanspruchten sowohl der Bruder des vorverstorbenen Ehemannes als auch der Bruder der zuletzt verstorbenen Ehefrau, aufgrund des Testaments Alleinerbe geworden zu sein. Dabei machte der Bruder des vorverstorbenen Ehemannes geltend, er habe die Erblasserin nach dem Tod seines Bruders unterstützt und sich um sie gekümmert. So habe er die Beerdigung seines Bruders organisiert und die Grabpflege veranlasst. Er habe den durch den Tod des Bruders notwendig gewordenen Schriftverkehr erledigt und die Erstellung der Steuererklärung für das Jahr 2014 in die Wege geleitet....
Der Erbe kann die dem Pflichtteilsberechtigten geschuldete Auskunft über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines von einem Notar erstellten Nachlassverzeichnisses nur dann verweigern, wenn ein Aktivnachlass, aus dem die Kosten für das notarielle
Die Klägerin, nichteheliche Tochter des im November 2012 verstorbenen Erblassers, machte mit ihrer Klage gegen dessen Ehefrau und Witwe Ansprüche auf Auskunft über den Nachlass des Erblassers am Todestag und lebzeitige Schenkungen des Erblassers sowie entsprechende Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend mit der Maßgabe, dass die Auskunft durch Vorlage eines von einem Notar erstellten Verzeichnisses erteilt werden sollte. Die Ehegatten hatten sich in einem notariellen Erbvertrag gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Dadurch war die Klägerin durch ihren Vater enterbt worden.
Die Beklagte verteidigte sich mit dem Einwand, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Erstellung des Verzeichnisses durch einen Notar zu, weil ein Aktivnachlass, aus dem die Kosten für den Notar entnommen werden könnten, nicht vorhanden sei. Sie begründete dies damit, sie selbst habe gegenüber dem Erblasser Darlehensforderungen in Höhe von über 1 Million €. Sie könne sich daher auf die sogenannte...
Kapitalmarktrecht
Kündigungsrecht der Bausparkassen 10 Jahre nach Zuteilungsreife
Bausparverträge waren in jüngster Zeit häufig Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Hintergrund ist das dauerhaft niedrige Zinsumfeld. Zahlreiche Bausparer nutzten ihren Bausparvertrag als (derzeit) günstige Anlageform. Sie sparten über Jahre in der sogenannten Ansparphase Beträge an. Trotz Zuteilungsreife wurde kein Bauspardarlehen in Anspruch genommen. Für Darlehen erhielt man anderweit günstigere Zinsen. Die Zinsen auf die eingezahlten Beträge waren gut. Die Bausparkassen waren nicht mehr bereit, derart hohe Zinsen zu zahlen und versuchten, die Vertragsbeziehung durch Kündigung zu beenden. Der BGH hat nunmehr den Bausparkassen Recht gegeben. So darf die Bausparkasse im Regelfall einen Bausparvertrag nach Ablauf von 10 Jahren nach Zuteilungsreife mit einer 6-Monats-Frist kündigen. In der Ansparphase gewähre der Bausparer der Bausparkasse ein Darlehen, was nach den gesetzlichen Vorschriften 10 Jahre nach vollständigem Empfang kündbar sei. Dieser „vollständige Empfang“ sei regelmäßig zum Zeitpunkt der erstmaligen Zuteilungsreife gegeben....
WeiterlesenGewährleistungsrecht
Bedeutende Rechtsprechungsänderung zur Vermutungsregelung des § 476 BGB
Ist die Kaufsache mangelhaft, ist zur begründeten Geltendmachung von Gewährleistungsrechten erforderlich, dass dieser Mangel auch bereits bei Gefahrübergang, also regelmäßig bei Übergabe der Sache vorlag. Die Beweislast hierfür obliegt dem Käufer. Bei einem Verbrauchsgüterkauf soll hier § 476 BGB Hilfestellung geben, wonach vermutet wird, dass die Sache bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn sich der Mangel innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang gezeigt hatte.
Die bisherige Rechtsprechung war, dass die Vermutung nur in zeitlicher Hinsicht wirkte. Der Käufer musste beweisen, dass der Kaufgegenstand mangelhaft ist. Hierbei war, insbesondere bei Kraftfahrzeugen, häufig unklar, ob der sich zeigende Defekt auf einen Mangel oder einen Fahr- oder Bedienungsfehler zurückzuführen war. Wenn der Beweis für einen Mangel im Prozess durch den Käufer nicht geführt werden konnte, verlor er den Rechtsstreit.
Durch die obenstehenden Urteile ändert sich dies. Der EuGH hat in seiner...
Handels- und Gesellschaftsrecht
Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung jetzt auch für beratende Ingenieure und Architekten im Saarland möglich
Mit der umfassenden Novellierung des Saarländischen Architekten- und Ingenieurkammergesetzes wird nun auch beratenden Ingenieuren und Architekten der Zugang zur Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartGmbB) ermöglicht. Andere Freiberuflergruppen, wie z. B. Rechtsanwälte und Steuerberater, können diese auf die freien Berufe „maßgeschneiderte“ Rechtsform bereits seit 2013 wählen. Die PartGmbB verbindet die Vorteile einer GbR mit der Haftungsbeschränkung einer GmbH.
Die in der PartGmbB zusammengeschlossenen beratenden Architekten oder Ingenieure genießen den Schutz der „beschränkten Berufshaftung“. Für Berufspflichtverletzungen haften sie lediglich mit dem Gesellschaftsvermögen und sind vor persönlicher Haftung geschützt. Die PartGmbB gewährt diese Haftungsprivilegierung ohne die „Nachteile“ einer GmbH. Bei der Umwandlung einer GbR in eine PartGmbB werden die Freiberufler z. B. nicht gewerbesteuer- oder körperschaftssteuerpflichtig.
Für ergänzende...
Insolvenzanfechtungsrecht
Am 5. April 2017 sind verschiedene Änderungen bei den insolvenzrechtlichen Anfechtungsbestimmungen eingetreten.
Schlagwortartig sind folgende Regelungen hervorzuheben:
- nicht mehr ab Insolvenzeröffnung, sondern ab Verzug
- Vorsatzanfechtung des § 133 InsO insoweit, als zukünftig eine Trennung zwischen Deckungshandlungen (Zahlung auf Lieferungen und Leistungen) einerseits und sonstigen Vermögensverschiebungen andererseits erfolgt.
Damit verbunden ist eine Verkürzung der Verjährungsfrist von zehn auf vier Jahre bei Deckungshandlungen: Unabhängig davon, ob diese kongruent oder inkongruent sind.
- Klarstellende Regelung in § 133 Abs. 3 Satz 1 für die Vereinbarung von Ratenzahlungen in der Form, dass die Vereinbarung einer Ratenzahlung nicht automatisch die Bösgläubigkeit des Gläubigers nach sich zieht.
Die - einen in Anspruch genommenen Gläubiger begünstigenden - Änderungen im Zinsbereich treten ab sofort in Kraft, alle übrigen Regelungen gelten für die Verfahren, die nach dem 5. April 2017 eröffnet werden.
Einzelheiten werden Gegenstand eines Vortrages unseres Sozius, Herrn Rechtsanwalt...