Newsletter 03/2019
Arbeitsrecht
Zeitpunkt des Zugangs eines Kündigungsschreibens bei Einwurf in den Hausbriefkasten nach der üblichen Postzustellzeit
Das Landesarbeitsgericht hatte über die Frage zu entscheiden, wann ein Kündigungsschreiben, das am 27.01.2017 gegen 13.25 Uhr im Hausbriefkasten eines Arbeitnehmers eingeworfen wurde, zugegangen ist. Der Arbeitnehmer, der in einem kleinen Dorf mit weniger als 2.000 Einwohnern wohnte, hatte sich auf den Standpunkt gestellt, dass Post bei ihm ausschließlich in der Zeit von 9.00 Uhr bis 11.00 Uhr zugestellt werde. Das um 13.25 Uhr eingeworfene Kündigungsschreiben sei ihm daher erst am Folgetag zugegangen.
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg urteilte, dass das Kündigungsschreiben am gleichen Tag zugegangen sei. Der Einwurf in einen Briefkasten bewirke den Zugang, soweit nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen sei. Dabei sei nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen, sondern eine generalisierte Betrachtung geboten.
Grundsätzlich sei bei Hausbriefkästen mit einer Leerung im Allgemeinen zum Zeitpunkt der üblichen Postzustellzeiten zu...
WeiterlesenAnspruch eines Arbeitnehmers auf halbe Urlaubstage oder sonstige Bruchteile von Urlaubstagen ?
Ein Arbeitnehmer, der als Zerspanungsmechaniker bei seinem Arbeitgeber tätig war, half in einem Weingut, das seine Familie betrieb, mit. Er beantragte im Jahr 2015 an insgesamt 18 Tagen und im Jahr 2016 an insgesamt 13 Tagen halbe Urlaubstage, die ihm gewährt wurden. Der Arbeitgeber teilte dem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr 2017 mit, dass er ihm künftig nicht mehr als 6 halbe Urlaubstage pro Jahr gewähren wollte.
Der Arbeitnehmer begehrte mit seiner Klage die Gewährung von Urlaub in einem Umfang von 10, hilfsweise 8 Tagen, in halben Tagen zu gewähren. Das Arbeitsgericht wies die Klage des Arbeitnehmers ab. Gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes legte der Arbeitnehmer Berufung ein.
Das LAG Baden-Württemberg wies die Berufung des Arbeitnehmers kostenpflichtig zurück. Es führte aus, dass der Urlaub nur dann entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festzulegen ist, wenn der Urlaubswunsch die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BUrlG erfüllt, wonach der Urlaub zusammenhängend zu gewähren...
WeiterlesenDatenschutzrecht
„Gefällt mir“-Button von Facebook und Datenschutz
Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits im letzten Jahr entschieden hatte, dass der Betreiber einer auf Facebook eingerichteten Fanpage gemeinsam mit Facebook Verantwortlicher im Sinne von Art. 2 lit. d) der Richtlinie 94/46/EG für die Verarbeitung personenbezogener Daten der Besucher seiner Fanpage ist (EuGH, Urteil vom 05. Juni 2018 – AZ: C-210/16 -; siehe auch unseren Beitrag in unserem Newsletter 03/2018), folgte aktuell eine Entscheidung des EuGH zur datenschutzrechtlichen Behandlung des „Gefällt mir“-Buttons von Facebook.
Nach den Feststellungen des EuGH handelt es sich bei dem „Gefällt mir“-Button der Facebook Ireland Ltd. (Facebook), der auf einer kommerziellen Website eingebunden war, um ein sog. SocialPlugin, welches den Browser des Besuchers dieser Website veranlasst, Inhalte des Anbieters dieses Plugins (d. h. von Facebook) anzufordern und hierzu personenbezogene Daten des Besuchers an diesen Anbieter (d. h. an Facebook) zu übermitteln. Unklar geblieben ist nur,...
WeiterlesenErheblichkeitsschwelle bei Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DS-GVO
Die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) sieht in Art. 82 vor, dass jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DS-GVO ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz hat. Mit den tatbestandlichen Voraussetzungen eines solchen Schadensersatzanspruchs hatte sich aktuell das Oberlandesgericht Dresden zu befassen.
Gegenstand des Berufungsverfahrens war ein Schadensersatzanspruch, den der Kläger gegen den Betreiber eines sozialen Netzwerks wegen der Löschung eines Posts und einer dreitägigen Sperrung seines Accounts geltend machte. Im Rahmen des veröffentlichten Hinweisbeschlusses teilte das Gericht den Parteien seine – im Einklang mit der Rechtslage vor Geltung der DS-GVO stehende – Rechtsauffassung mit, wonach „Art. 82 nicht so auszulegen [ist], dass er einen Schadensersatzanspruch bereits bei jeder individuell empfundenen Unannehmlichkeit oder bei Bagatellverstößen ohne ernsthafte Beeinträchtigung für das Selbstbild oder Ansehen einer Person...
WeiterlesenZweites Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – Anhebung der Grenze für Benennung Datenschutzbeauftragter
Während die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) die Verpflichtung zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten nicht an die Größe des Betriebs des datenschutzrechtlich Verantwortlichen bzw. die Anzahl der Beschäftigten knüpft, normiert das deutsche Recht in § 38 Abs. 1 S. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) die Verpflichtung von nicht-öffentlichen Verantwortlichen und nicht-öffentlichen Auftragsverarbeitern zu Benennung eines Datenschutzbeauftragten, soweit sie in der Regel mindestens zehn Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigen.
Am 27. Juni 2019 wurde vom Deutschen Bundestag das Zweite Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU) beschlossen (siehe hierzu http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP19/2390/239070.html). Neben rein sprachlichen Anpassungen diverser Gesetze an die...
WeiterlesenErbrecht
Nachweis der Echtheit einer Testamentskopie und des Widerrufs durch Vernichtung des Originals
Leitsätze:
- Die Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung wird nicht dadurch berührt, dass die Testamentsurkunde ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden, verloren gegangen oder sonst nicht auffindbar ist.
- Errichtung und Inhalt eines Testaments kann in diesen Fällen gemäß § 2356 Abs. 2 BGB a.F. mit Hilfe anderer Beweismittel dargetan werden, wobei an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind.
- Das Ergebnis einer Begutachtung durch einen Schriftsachverständigen, dass die Errichtung des Testaments durch den Erblasser "wesentlich wahrscheinlicher ist als die These einer Nachahmung oder Fälschung", ist der Tatsache geschuldet, dass die Testamentsschrift nur in Kopie vorliegt, und kann durch weitere Indizien erhärtet werden.
- Die fehlende Auffindbarkeit des Originaltestaments lässt allein nicht auf eine Vernichtung durch den Erblasser in Widerrufsabsicht schließen und reicht auch für eine dahingehende Vermutung nicht aus; beweisbelastet für den Widerruf ist...
Wirksamkeit eines gemeinschaftlichen Testaments von Ehegatten als Einzeltestament bei Fälschung der Unterschrift des anderen Ehegatten
Leitsatz:
- Ein nur von einem Ehegatten niedergeschriebenes und unterschriebenes – mithin unvollständiges – gemeinschaftliches Testament kann als Einzeltestament auch dann wirksam sein, wenn der testierende Ehegatte die Unterschrift des anderen Ehegatten gefälscht hat. Für die Abgrenzung zwischen wirksamer einseitiger Verfügung und gescheitertem Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments ist auf den Willen der Person abzustellen, die das Dokument erstellt hat. Wollte diese die in dem Dokument enthaltenen Anordnungen auch als einseitige Verfügungen von Todes wegen treffen, sind sie wirksam.
- Zur Zulässigkeit der einseitigen Abänderung einer Verfügung im Erbvertrag, der es dem überlebenden Vertragspartner gestattet, "nach dem Ableben" des zuerst Sterbenden beliebig anderweitig zu verfügen, zu Lebzeiten beider Vertragspartner.
Sachverhalt
Die am Erbscheinverfahren beteiligten Personen waren Angehörige des im Jahre 2016 verstorbenen Erblassers und seiner im Jahre 2015 vorverstorbenen...
WeiterlesenTestieren mittels eines nicht datierten Notizzettels zugunsten einer nicht namentlich bezeichneten Person
Leitsätze:
- Auch in einem wenige Zentimeter großen handschriftlich beschriebenen Notizzettel kann grundsätzlich ein wirksames Testament liegen.
- Der Wirksamkeit eines "Notizzettel-Testaments" steht – wenn ein anderes Testament existiert – entgegen, dass der Notizzettel nicht datiert ist und sich die notwendigen Feststellungen über die Zeit seiner Errichtung auch nicht anderweitig treffen lassen.
- Insbesondere bei einem Schriftstück, das nicht den für Testamente üblichen Gepflogenheiten entspricht, muss außer Zweifel stehen, dass der Erblasser es mit Testierwillen erstellt hat; bei verbleibenden Zweifeln findet die Vorschrift des § 2084 BGB keine Anwendung.
- Eine Erbeinsetzung desjenigen, "der für mich aufpasst und [mich] nicht ins Heim steckt" ist nicht ausreichend bestimmt und daher nichtig.
Sachverhalt
Die am 22.01.2015 verstorbene Erblasserin hatte keine Kinder. Ihr Ehemann und ihre Eltern waren vorverstorben. Einzelheiten zu ihren Geschwistern sind im Erbscheinverfahren nicht...
WeiterlesenInsolvenzrecht
Nachhaftung einer in Insolvenz gefallenen Person für vom Insolvenzverwalter nicht gezahlte Steuern
Mit seinem Urteil hat der BFH zu diesem Sachverhalt eine Entscheidung getroffen, die eindeutig im Gegensatz zu der vom BGH in vergleichbaren Fällen vertretenen Auffassung steht.
Der Ausgangssachverhalt:
Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer natürlichen Person (Insolvenzschuldner) erzielte der Insolvenzverwalter Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die er allerdings nicht versteuerte.
Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens erließ das zuständige Finanzamt aufgrund des vorstehenden Sachverhaltes Steuerbescheide gegen den Insolvenzschuldner und beanspruchte von diesem die auf die im Insolvenzverfahren erzielten Mieteinnahmen entfallende Einkommensteuer.
Nach der Rechtsprechung des BGH besteht in einem solchen Fall grundsätzlich eine Nachhaftung des Insolvenzschuldners für nicht erfüllte Masseverbindlichkeiten, allerdings gegenständlich beschränkt auf Gegenstände, die der Insolvenzschuldner aus der Masse zurückerhalten hat.
Wäre daher das Grundstück im...
WeiterlesenEinengung der Haftung eines Geschäftsführers einer insolventen GmbH
Mit seinem Urteil hat der BGH die Haftung eines Geschäftsführers einer insolventen GmbH eingeschränkt.
Der Sachverhalt war relativ einfach:
Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer GmbH stellte sich heraus, dass zuvor der GmbH-Geschäftsführer im umfangreichen Maße mit einem „Griff in die Kasse" Gelder der Gesellschaft zweckwidrig verwendet hatte.
Ein Lieferant der GmbH, der mit seiner Forderung im Wesentlichen ausgefallen war, nahm den Geschäftsführer auf Schadensersatz in Anspruch.
Nachdem das Landgericht die Klage abgewiesen und das zuständige OLG dieser überwiegend stattgegeben hatte, hob der BGH das Urteil des OLG auf und bestätigte im Wesentlichen die Rechtsauffassung des Landgerichts.
Nach Auffassung des BGH kommt eine Haftung eines Geschäftsführers unter dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB nur dann in Betracht, wenn der Geschäftsführer gerade und in Bezug auf den eingetretenen Schaden gehandelt hat; eine...
WeiterlesenVorläufiger Rechtsschutz bei drohender Insolvenzgefahr
Mit einem Beschluss vom 11.03.2019hat das Sozialgericht München unter Hinweis auf eine ansonsten drohende Insolvenzgefahr dem Antrag eines Unternehmens stattgegeben, vorläufige Aussetzung der Vollziehung von Bescheiden des Hauptzollamtes auszusprechen.
Die Entscheidung ist umso bemerkenswerter, als den Bescheiden Nachforderungen der Sozialversicherung aus nicht ordnungsgemäßen Anmeldungen zur Sozialversicherung sowie Unterbietung des Mindestlohnes zugrunde gelegen haben.
Trotz dieses Sachverhaltes und obwohl das Unternehmen nur „moderate“ Ratenzahlungen angeboten hat (im Raum standen rund 1,6 Mio. € Nachforderungen inkl. Nebenkosten), hat das LSG München dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stattgegeben. Zur Begründung des Antrages hatte sich das Unternehmen darauf berufen, ohne entsprechende Aussetzung zur Insolvenzantragstellung gezwungen zu sein; mit einer Insolvenz würden knapp 30 Arbeitsplätze entfallen und der Betrieb des Unternehmens werde zerschlagen.
Das...
WeiterlesenWohnungseigentumsrecht
Rechtsprechungsänderung des BGH im WEG-Recht zur eigenmächtigen Instandsetzung von Gemeinschaftseigentum
Mit dem zitierten Urteil hat der BGH seine durch Urteil vom 25.09.2015 (Az. V ZR 146/14) entwickelte Rechtsprechung aufgegeben, dass ein Wohnungseigentümer der eigenmächtig Gemeinschaftseigentum instand setzt, Anspruch auf Erstattung der Kosten hat, wenn die Maßnahme ohnehin hätte durchgeführt werden müssen.
Zum Verständnis der Rechtsprechung ist zunächst die Unterscheidung zwischen Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum wesentlich. Was zum Gemeinschaftseigentum gehört ist gesetzlich in § 1 Abs. 5 und § 5 Abs. 1 WEG geregelt. Vereinfacht kann man sagen, dass alle Teile des Gebäudes, die für den Bestand und die Sicherheit notwendig sind sowie Teile die die Gestaltung der Immobilie prägen und solche Anlagen die alle Bewohner gemeinsam nutzen, zum Gemeinschaftseigentum gehören.
Gemäß § 21 Abs. 5 Ziffer 2 WEG obliegt die Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums, anders als die des Sondereigentums, der Wohnungseigentümergemeinschaft und damit nicht dem einzelnen...
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