Newsletter 03/2020
Erbrecht
Zur Frage der Wirksamkeit der Unterzeichnung eines notariellen Testaments
Leitsatz
- Mit der Unterschrift unter einer notariellen Urkunde dokumentieren die Beteiligten, dass sie sich ihre Erklärungen zurechnen lassen. Dagegen dient die Unterschrift nicht der Identifizierbarkeit der Urkundsbeteiligten.
- Für die Unterzeichnung eines notariell errichteten Testaments genügt es, wenn der Erblasser versucht, seinen Familiennamen zu schreiben, und die Unterschrift aufgrund einer krankheitsbedingten Schwächung aus einem Buchstaben und einer anschließenden geschlängelten Linie besteht.
Sachverhalt
Die Erblasserin und ihr im Jahre 2015 vorverstorbener Ehemann hatten sich in einem notariell beurkundeten Testament vom August 2011 wechselseitig zu Alleinerben und zu Erben des Letztversterbenden die Geschwister des Ehemannes eingesetzt. Der länger lebende Ehegatte sollte jedoch berechtigt sein, die Erbfolge nach ihm frei abändern zu können. Von diesem sogenannten Änderungsvorbehalt machte die Erblasserin nach dem Tod des Ehemannes in einem notariell beurkundeten...
WeiterlesenZur Frage der Haftung der Erben des Verstorbenen gegenüber dem Lokführer bei Suizid auf Bahngleisen
Leitsatz
Begeht eine Person auf Bahngleisen einen Suizid, haften ihre Erben dem involvierten Lokführer nicht auf Schadenersatz, wenn der Verstorbene zum Zeitpunkt des Suizids und damit der Schadenszufügung nicht schuldhaft gehandelt hat.
Sachverhalt
Die Klägerin (Deutsche Bahn AG) macht aus übergegangenem Recht ihres Bediensteten, eines Lokführers, gegen die Beklagten als Erben ihres verstorbenen Sohnes Schadensersatzansprüche nach einem Bahnunglück geltend.
Das Landgericht Frankfurt hat nach Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen. Das Gutachten war zu dem Ergebnis gekommen, dass der Verstorbene Suizid begangen habe, wobei er sich in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden habe. Nach § 827 Satz 1 BGB ist für den Schaden nicht verantwortlich, wer im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der...
WeiterlesenZu den Voraussetzungen der Geschäftsunfähigkeit, der Unwirksamkeit einer Vorsorgevollmacht und der Anordnung einer gerichtlichen Betreuung
Leitsatz
- Kann die Unwirksamkeit einer Vorsorgevollmacht nicht positiv festgestellt werden, bleibt es bei der wirksamen Bevollmächtigung.
- Die Frage, ob der Betroffene im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung nach § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig war, hat das Gericht nach § 26 FamFG von Amts wegen aufzuklären. Dabei ist die Geschäftsunfähigkeit nach § 104 Nr. 2 BGB kein medizinischer Befund, sondern ein Rechtsbegriff, dessen Voraussetzungen das Gericht unter kritischer Würdigung des Sachverständigengutachtens festzustellen hat.
Sachverhalt
Der Betroffene leidet u. a. an einer kognitiven Störung im Rahmen einer vaskulären Enzephalopathie bei ausgedehnter cerebralerMikroangiopathie. Am 30. September 2015 erteilte er der Beteiligten zu 3) eine notariell beurkundete General- und Vorsorgevollmacht, die er am 15. Januar 2018 widerrief. Am 9. März 2018 erteilte der Betroffene seinem Sohn, dem Beteiligten zu 2), eine notariell beurkundete General- und Vorsorgevollmacht.
Auf Anregung...
WeiterlesenInsolvenzrecht
Beschränkte Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für den Insolvenzgrund der Überschuldung bis 31.12.2020
Die gesetzlichen Regelungen zur pandemiebedingten Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (§§ 1 und 2 COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG)) sind für die Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung befristet bis zum 30.09.2020.
Durch eine am 17.09.2020 vom Bundestag beschlossene Änderung dieses Gesetzes wurde auf der Grundlage des vorliegenden Entwurfs nunmehr erreicht, dass für überschuldete Unternehmen, die nicht zugleich zahlungsunfähig sind, die Frist zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 31.12.2020 verlängert wird. Dies hat zur Folge, dass der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit erneut die Insolvenzantragspflicht des § 15a InsO für die dort genannten Antragspflichtigen ab dem 01.10.2020 auslöst.
Hinzuweisen ist darauf, dass weiterhin erhebliche Haftungsrisiken für die verantwortliche Organe von Gesellschaften, sowohl im zivil- als auch strafrechtlichen Bereich, bestehen.
WeiterlesenEntwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens für Insolvenzanträge ab 01.10.2020
Zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1023 über präventive Restrukturierungsrahmen, wonach u.a. insolvente unternehmerisch tätige Personen Zugang zu einem Verfahren haben müssen, das ihnen eine volle Entschuldung nach 3 Jahres ermöglicht und darüber hinaus bei Verbrauchern – jedenfalls befristet bis zum 30.06.2025 – soll nach einem Gesetzesentwurf die Laufzeit des Restschuldbefreiungsverfahrens auf 3 Jahre verkürzt werden. Dies soll für Insolvenzanträge gelten, die nach dem 01.10.2020 beantragt werden. Für Insolvenzverfahren, die vor dem 17.12.2019 beantragt wurden, soll das derzeit 6-jährige Verfahren monatsweise verkürzt werden. Eine Deckung der Verfahrenskosten oder die Erfüllung von Mindestbefriedigungsanforderungen sind nicht Voraussetzung für die verkürzte Frist.
Die Sperrfrist für einen zweiten Restschuldbefreiungsantrag soll auf 13 Jahre erhöht werden und das Restschuldbefreiungsverfahren in Wiederholungsfällen auf 5 Jahre verlängert werden.
Ferner sollen die Speicherfristen...
WeiterlesenZur Aufnahme eines durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei unterbrochenen Rechtsstreits über eine Insolvenzforderung
Der BGH bestätigte in vorgenanntem Urteil zunächst die bisher bereits bekannten Anforderungen, die vor der Wiederaufnahme eines unterbrochenen Rechtsstreits über eine Insolvenzforderung zu erfüllen sind. Erforderlich hierfür ist zunächst, dass die Forderung im Insolvenzverfahren angemeldet, geprüft worden und bestritten geblieben ist. Das Erfordernis des insolvenzrechtlichen Feststellungsverfahrens ist insoweit nach Auffassung des BGHs nicht abdingbar, mit der Folge, dass es sich um eine zwingende Sachurteilsvoraussetzung sowohl im Falle einer neu erhobenen Feststellungsklage als auch bei der Aufnahme eines unterbrochenen Rechtsstreits handelt.
Das Fehlen eines insolvenzrechtlichen Prüfungsverfahrens steht der Wiederaufnahme des unterbrochenen Prozesses durch den Gläubiger entgegen. Hierbei ist sowohl die Prüfung im Rahmen des Prüfungstermins erforderlich, ebenso wie die wirksame Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle.Die Forderungsanmeldung muss den Voraussetzungen von § 174...
WeiterlesenErteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Tabellenauszugs bei Widerspruch des Insolvenzschuldners nur gegen den Schuldgrund
Der Bundesgerichtshof bestätigte in vorgenanntem Urteil seine Rechtsprechung, wonach der Widerspruch eines Schuldners lediglich gegen den angemeldeten Rechtsgrund der unerlaubten Handlung nicht die Vollstreckung aus der Eintragung in die Tabelle hindert. Der BGH verweist den Schuldner auf die Möglichkeit der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO). In diesem Verfahren wäre sodann zu klären, ob der Anspruch tatsächlich auf dem vom Gläubiger angemeldeten Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht und die Forderung gemäß § 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist. Zu berücksichtigen ist, dass die Darlegungs- und Beweislast für den vorliegenden Rechtsgrund stets der Gläubiger trägt.
Auch bei dieser Forderungsanmeldung ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein Gläubiger bei der Anmeldung einer Forderung aus unerlaubter Handlung den zugrunde liegenden Lebenssachverhalt darstellen muss, damit dieses zusätzliche Attribut wirksam zur Insolvenztabelle...
WeiterlesenAussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 1 COVInsAG bis zum 30.09.2020 bzw. bis zum 31.12.2020 für den Antragsgrund der Überschuldung
Der Koalitionsausschuss hat am 25.08.2020 eine Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für den Insolvenzgrund der Überschuldung bis zum Ende des Jahres 2020 beschlossen. Diese Verlängerung der in § 1 COVInsAG(Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz) bestimmten Aussetzungsfrist für den Insolvenzgrund der Überschuldung hat erhebliche Auswirkungen auf die Verpflichtung von Geschäftsführern, im Falle der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft Insolvenzantrag zu stellen, da nach dem 30.09.2020 erneut die Verpflichtung zur Insolvenzantragstellung im Falle der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 15a InsO gilt.
TIPP:Auch im Falle der Aussetzung der Insolvenzantragspflichten bestehen für Organe von Gesellschaften nicht unerhebliche, gegebenenfalls strafrechtlich relevante Risiken, beispielsweise aus dem Gesichtspunkt der Untreue bzw. der Betrugstatbestände, die eine...
WeiterlesenHinweis zum Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Kostenteilung von Maßnahmen zur Schönheitsreparatur
Bereits in dem Newsletter 04/2017 haben wir auf die Rechtsprechung des BGH (Senatsurteile vom 18. März 2015 – VIII ZR 185/14, Rn. 15, 35) hingewiesen, wonach die – gängige – Übertragung von laufenden Schönheitsreparaturen auf den Mieter unwirksam ist, wenn dem Mieter die Wohnung in unrenoviertem Zustand übergeben und ihm hierfür kein angemessener Ausgleich gewährt wird. Mit Urteil vom 22. August 2018 – VIII ZR 277/16, Rn. 20, hat der BGH diese Rechtsprechung bestätigt.
Der BGH hat nunmehr jedoch mit dem Urteil vom 08.07.2020 – anders als das vorangegangene Berufungsgericht – geurteilt, dass dies nicht zu einer uneingeschränkten Renovierungspflicht des Vermieters führt. Denn Ausgangspunkt der Pflichten des Vermieters ist der vertraglich vereinbarte Zustand des Mietobjekts im Zeitpunkt der Überlassung. Die Instandhaltungspflicht des Vermieters für Schönheitsreparaturen wird erst dann fällig, wenn sich der anfängliche Dekorationszustand wesentlich verschlechtert hat. Ein Mieter hat dann...
WeiterlesenVersicherungsrecht
Ansprüche gegen die Betriebsschließungsversicherung im Zusammenhang mit einer Corona-bedingten Betriebsschließung
Im letzten Newsletter hatten wir von einem Urteil des Landgerichts Mannheim in einem einstweiligen Verfügungsverfahren berichtet. Das Landgericht Mannheim hatte zwar im Ergebnis das Begehren des Anspruchstellers im einstweiligen Verfügungsverfahren zurückgewiesen, jedoch in der Begründung durchaus positive Aspekte für den Versicherungsnehmer aufgezeigt. Insbesondere ist das Landgericht bei der gewählten Vertragsgestaltung von einer sogenannten "dynamischen Verweisung" ausgegangen und hat den in den Versicherungsbedingungen niedergelegten Katalog an Krankheiten und Krankheitserregern als nicht abschließend angesehen.
Das Oberlandesgericht Hamm und das Landgericht Bochum haben im Gegensatz dazu Versicherungsbedingungen in einer Betriebsschließungsversicherung im Sinne einer statischen Verweisung ausgelegt. Da weder COVID-19 noch SARS-CoV-2 in dem Katalog aufgeführt seien, bestünde auch kein Versicherungsschutz. Bei den konkret untersuchten Versicherungsbedingungen wurde eine dynamische...
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