Newsletter 03/2022
Arbeitsrecht
Änderung des Nachweisgesetzes zum 01.08.2022
Mit Wirkung zum 01.08.2022 wurde das Nachweisgesetz geändert und die Nachweispflichten erheblich erweitert. Arbeitgeber müssen nun Arbeitnehmern, die ab dem 01.08.2022 ihre Tätigkeit begonnen haben, die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses innerhalb äußerst kurzer Fristen schriftlich niederlegen, die Niederschrift unterzeichnen und dem Arbeitnehmer aushändigen.
Niederzulegen sind nach dem neuen Nachweisgesetz auch die Fristen zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage, allgemeine Hinweise auf die für das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen bzw. eine Klarstellung, dass keine Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen Anwendung finden. Zuwiderhandlungen stellen Ordnungswidrigkeiten dar, die mit einer Geldbuße bis zu 2.000,- € geahndet werden können.
TIPP: Arbeitsvertragsmuster, die in Ihrem Betrieb Verwendung finden, sollten dringend angepasst werden. Darüber hinaus ist es für alle Arbeitsverhältnisse, die vor dem...
WeiterlesenVerjährung von Urlaubs(Abgeltungsansprüchen)
Der Europäische Gerichtshof hat am 22. September 2022 entschieden, dass Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates von 04. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und Artikel 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahingehend auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, den ein Arbeitnehmer für einen Bezugszeitraum erworben hat, nach Ablauf einer Frist von 3 Jahren verjährt, deren Lauf mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem dieser Anspruch entstanden ist, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht tatsächlich in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch wahrzunehmen.
Dies bedeutet, dass Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern dann nicht verjähren, wenn der Arbeitgeber nicht aktiv darauf hingewirkt hat, dass der Arbeitnehmer den Urlaub vollständig nimmt. Konkret muss der Arbeitgeber auf den Resturlaub hinweisen und dazu auffordern, den...
WeiterlesenSchlussformulierung eines Arbeitszeugnisses – Kein Anspruch auf Dankes- und Wunschformel
In dem vom BAG entschiedenen Fall ging es um Zeugnisberichtigungsansprüche, die ein Personaldisponent nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses geltend machte. Das beanstandete Zeugnis seines Arbeitsgebers endete mit dem Schlusssatz: „Herr J. scheidet mit dem heutigen Tag aus unseren Unternehmen aus.“ Der Arbeitnehmer hatte die Ansicht vertreten, sein Arbeitgeber sei verpflichtet, das Zeugnis mit einer Schlussformel zu versehen, in der ihm für die geleistete Arbeit gedankt und ihm für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg gewünscht wird.
Das Arbeitsgericht Mönchengladbach hatte die geltend gemachten Zeugnisberichtigungsansprüche als unbegründet angesehen. Auf die Berufung des Arbeitnehmers gab das Landesarbeitsgericht Düsseldorf den Klageanträgen statt. Die Revision des Arbeitgebers zum Bundesarbeitsgericht war erfolgreich. Das Bundesarbeitsgericht war der Auffassung, dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, ein Arbeitszeugnis mit einer Schlussformel zu versehen, in der er dem...
WeiterlesenRückzahlung von Fortbildungskosten
In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall stritten die Parteien über die Rückzahlung von Fortbildungskosten. Der Arbeitnehmer hatte an 18 Arbeitstagen an einer Fortbildung zum „Fachtherapeuten Wunde ICW“ teilgenommen. In einer Fortbildungsvereinbarung hatte er sich verpflichtet, das Arbeitsverhältnis nach dem Ende der Fortbildung für mindestens 6 Monate fortzusetzen. Für den Fall, dass der Arbeitnehmer aufgrund einer eigenen ordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden oder einer eigenen außerordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden Kündigung oder aufgrund einer vom Arbeitgeber erklärten verhaltensbedingten ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung vor Ablauf der Bindungsfrist aus den Diensten des Arbeitgebers ausscheidet, sollten die Gesamtkosten der Fortbildung zurückgezahlt werden. Die Rückzahlungspflicht war auch im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen vom Arbeitnehmer veranlassten Aufhebungsvertrag vereinbart.
Das...
WeiterlesenErbrecht
Wirksamkeit der Ausschlagung einer in den Nachlass fallenden Erbschaft durch den Nachlasspfleger?
Leitsatz
Der Nachlasspfleger ist nicht berechtigt, mit Wirkung für die unbekannten Erben eine in den Nachlass des Erblassers gefallene weitere Erbschaft auszuschlagen. Das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft ist ein allein dem Erben bzw. seinen Rechtsnachfolgern, den Erbeserben, persönlich zustehendes Recht.
Sachverhalt
Mit diesem Beschluss hat der BGH eine in zweiter Instanz getroffene Entscheidung des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 29.09.2021 bestätigt.
Der Beteiligte zu 2) war vom Nachlassgericht zum Nachlasspfleger für die unbekannten Erben der am 25.02.2021 verstorbenen Erblasserin bestellt worden mit den Aufgabenkreisen Ermittlung der Erben sowie Sicherung und Verwaltung des Nachlasses. Die Erblasserin, die unter gerichtlicher Betreuung stand, war ihrerseits gesetzliche Miterbin ihres am 07.11.2020 vorverstorbenen Ehemannes. Dessen Nachlass war überschuldet. Deshalb hatte schon die für die Erblasserin gerichtlich eingesetzte Betreuerin mit notarieller Urkunde vom...
WeiterlesenPflichtteilsanspruch: Verstoß gegen den deutschen ordre public bei Rechtswahl des englischen Erbrechts
Leitsatz
Die Anwendung des gemäß Art. 22 Abs. 1 EuErbVO gewählten englischen Erbrechts verstößt jedenfalls dann gegen den deutschen ordre public i. S. v. Art. 35 EuErbVO, wenn sie dazu führt, dass bei einem Sachverhalt mit hinreichend starken Inlandsbezug kein bedarfsunabhängiger Pflichtteilsanspruch eines Kindes besteht.
Sachverhalt
Der Kläger verlangt von der Beklagten als alleiniger testamentarischer Erbin Auskunft über den Bestand und den Wert des Nachlasses des am 26.04.2018 verstorbenen Erblassers John Keith L. Er macht damit Pflichtteilsansprüche nach dem Erblasser geltend.
Der 1936 geborene Erblasser war britischer Staatsangehöriger. Er lebte seit seinem 29. Lebensjahr in Deutschland, wo er auch seinen letzten Wohnsitz hatte. Mit notariell beurkundetem Kindesannahmevertrag vom 30.10.1975 adoptierte der Erblasser den am 09.09.1974 geborenen Kläger. Der Vertrag enthält u. a. folgende Regelung:
"Die Erb- und Pflichtteilsrechte für das Kind und dessen künftige Abkömmlinge nach...
WeiterlesenAuslegung des Begriffs "vorhandenes Bargeld" in einem privatschriftlichen Testament
Leitsatz
Wendet ein Erblasser im Wege des Vermächtnisses mehreren Vermächtnisnehmern das bei seinem Tode "vorhandene Bargeld" zu, ist eine Auslegung, wonach dieses Bargeld auch "leicht verfügbare Bankguthaben" erfasst (OLG Karlsruhe ZEV 2007, 380), möglich, aber nicht zwingend.
Es gibt keine Regel, nach der unter dem Begriff "Bargeld" zwangsläufig auch das auf Bankkonten liegende Geld umfasst wird. Das auf Bankkonten liegende Geld ist ersichtlich "unbar".
Sachverhalt
Die beiden Beklagten haben die am 25.08.2017 verstorbene Erblasserin aufgrund eines Testaments vom 24.03.2015 gemeinschaftlich beerbt. In diesem Testament ordnete die Erblasserin u. a. zugunsten des Klägers zwei Vermächtnisse an:
"…..
5. Mein Haus in der F.straße 19 erhält mein Patenkind D mit der Auflage Frau M., solange sie will, darin wohnen zu lassen.
…..
12. Mein vorhandenes Bargeld wird in 19 Teile aufgeteilt. Es erhalten:
1. Teil D.
……."
Das in Ziffer 5 genannte Hausgrundstück wurde im Juli 2017 aufgrund...
WeiterlesenBeginn der Frist zur Ausschlagung des Erbes bei abgerissener Familienbande
Orientierungssatz
Gemäß § 1944 Abs. 2 BGB beginnt die Ausschlagungsfrist mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grunde der Berufung Kenntnis erlangt. Kenntnis setzt ein zuverlässiges Erfahren der maßgeblichen Umstände voraus, aufgrund dessen ein Handeln erwartet werden kann. Ein Irrtum im Bereich der Tatsachen kann Kenntnis in diesem Sinne ebenso verhindern wie eine irrige rechtliche Beurteilung, wenn deren Gründe nicht von vornherein von der Hand zu weisen sind.
Im Falle gesetzlicher Erbfolge ist Kenntnis vom Berufungsgrund dann anzunehmen, wenn dem Erben die Familienverhältnisse bekannt sind und er nach den Gesamtumständen und seiner subjektiven Sicht keine begründete Vermutung hat oder haben kann, dass eine ihn ausschließende letztwillige Verfügung vorhanden ist.
Abgerissene Familienbande können es aus Sicht des Erben nicht unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Erblasser ihn durch letztwillige Verfügung ausschließen wollte und ausgeschlossen hat.
Sa...
WeiterlesenInsolvenzrecht
Energie(kosten)krise und Anpassung des Insolvenzrechts
Ausgangslage und Diskussionsstand
Im Zusammenhang mit dem sog. dritten Entlastungspaket, mit welchem die zu erwartenden Preissteigerungen nicht zuletzt für Gas auch für Unternehmen abgefedert werden sollen, trifft die Bundesregierung auch Maßnahmen zur Verhinderung einer drohenden „Insolvenzwelle“. Radikale Eingriffe, insbesondere eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, sind jedoch derzeit nicht geplant, wie sich der weiteren Berichterstattung im Handelsblatt entnehmen lässt ("Unternehmenspleiten: Regierung plant keine radikalen Eingriffe", Quelle: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/energiekrise-unternehmenspleiten-regierung-plant-keine-radikalen-eingriffe/28677628.html, zuletzt abgerufen am 16.09.2022, 10:55 Uhr).
Wie der Presse zu entnehmen ist, soll nach Auskunft des Bundesjustizministeriums „eine zeitlich begrenzte Erleichterung bei der Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags wegen Überschuldung eingeführt werden". Profitieren sollen von dieser temporären...
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