Newsletter 04/2023
Erbrecht
Selbständiges Beweisverfahren: Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung des Verkehrswertes einer Nachlassimmobilie
Leitsatz
Ein Pflichtteilsberechtigter kann im Wege des selbstständigen Beweisverfahrens gemäß § 485 ZPO die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung des Verkehrswertes einer im Nachlass vorhandenen Immobilie verlangen. Er ist nicht auf die Erhebung einer Auskunfts- und Wertermittlungsklage gemäß § 2314 BGB zu verweisen.
Sachverhalt
Die Parteien sind die Kinder der im Juli 2019 verstorbenen Erblasserin. Der Vater der Parteien und Ehemann der Erblasserin ist bereits vorverstorben. Durch letztwillige Verfügungen setzten die Eltern die Antragsgegnerin zur Nacherbin und Schlusserbin ein.
Der hierdurch enterbte Antragsteller macht Pflichtteilsansprüche nach der Erblasserin gegen die Antragsgegnerin geltend.
Zum Nachlass gehört ein Mehrfamilienhaus einschließlich Garage, dessen Wert bisher nicht durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ermittelt worden ist. Die Antragsgegnerin hat diese Immobilie im Juni 2020 an die Stadt zum Preis von 150.000,00 € verkauft.
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WeiterlesenZur Ausschlagung des Erbes und Auslegung eines Testaments bei fehlender Ersatzerbenregelung
Leitsatz
- Die Einreichung der ersten Ausfertigung der Ausschlagungserklärung genügt den formellen Anforderungen des § 1945 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB. Denn gemäß § 47 BeurkG vertritt die Ausfertigung der Niederschrift die Urschrift im Rechtsverkehr.
- § 1944 Abs. 2 Satz 2 BGB, wonach die Ausschlagungsfrist bei gewillkürter Erbfolge nicht vor Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht beginnt, ist zwingend. Dies gilt auch, wenn feststeht, dass der Bedachte von der letztwilligen Verfügung früher Kenntnis erlangt hat.
- Enthält ein gemeinschaftliches Ehegattentestament ("Berliner Testament") keine Ersatzerbenregelung und schlägt der testamentarische Alleinerbe die Erbschaft aus, führt die ergänzende Auslegung regelmäßig dazu, dass mit der bindenden Schlusserbeneinsetzung der Kinder zugleich die Einsetzung der Kinder als Ersatzerben für den ersten Erbfall gewollt ist.
Sachverhalt
Die Beteiligte zu 1) ist die einzige Tochter der Erblasserin. Diese war bis zu ihrem...
WeiterlesenZur Verjährung der Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche
Leitsatz
- Hat eine Verjährungsfrist zu laufen begonnen, wird der Lauf nicht dadurch gehemmt, dass der Pflichtteilsberechtigte die letztwillige Verfügung entgegen seiner ursprünglich zutreffenden Beurteilung später (unzutreffend) für unwirksam hält (Anschluss an BGH, Urteil vom 14. November 1973 – IV ZR 13/72, nicht veröffentlicht).
- Kommen dem Pflichtteilsberechtigten nachträglich Zweifel an seiner Enterbung und beantragt er selbst einen Erbschein, beeinflusst dies den Lauf der Verjährungsfrist hinsichtlich der Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungs-ansprüche nicht.
Sachverhalt
Die Klägerin begehrt mit ihrer Stufenklage Auskunft und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung sowie anschließende Zahlung des Pflichtteils am Nachlass ihres im Jahre 2018 verstorbenen Vaters. Die Beklagte ist die Tochter der Klägerin und Enkelin des Erblassers.
Der Erblasser hat in einem Testament vom April 2017 zunächst die Klägerin zur Alleinerbin bestimmt. Mit einem weiteren Testament vom Oktober...
WeiterlesenZur Verjährung von Pflichtteilsansprüchen
Leitsatz
Die erforderliche Kenntnis von einer beeinträchtigenden Verfügung kann fehlen, wenn der Berechtigte infolge Tatsachen- oder Rechtsirrtums davon ausgeht, die ihm bekannte Verfügung sei unwirksam und entfalte daher für ihn keine beeinträchtigende Wirkung. Das gilt jedenfalls dann, wenn Wirksamkeitsbedenken nicht von vornherein von der Hand zu weisen sind.
Sachverhalt
Der Kläger ist das einzige Kind des im Jahre 2015 in Spanien verstorbenen Erblassers aus dessen geschiedener erster Ehe. Der Erblasser war deutscher Staatsangehöriger und hielt sich nach Beendigung seiner Berufstätigkeit als Inhaber einer internistischen Praxis zeitweilig in Spanien auf. Er war in zweiter Ehe mit der Beklagten verheiratet. Aus dieser Ehe sind keine Kinder hervorgegangen.
Im Februar 2009 errichtete der Erblasser in Spanien vor einem dortigen Notar in spanischer Sprache ein Testament, durch das er frühere Testamente ausdrücklich widerrief und die Beklagte zu seiner Alleinerbin einsetzte. Zuvor...
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