Infolge des Warnstreiks des Bodenpersonals einer großen deutschen Fluggesellschaft am 27.07.2022 wurde vielfach über die Frage diskutiert, ob Ansprüche nach der EU-FluggastrechteVO im Falle der Stornierung bzw. Umbuchung eines Fluges geltend gemacht werden können oder aber die Fluggesellschaft sich auf das Vorliegen „außergewöhnlicher Umstände“ berufen kann, die den Anspruch entfallen lassen. Hintergrund ist, dass ein ausführendes Luftfahrtunternehmen nicht verpflichtet ist, Ausgleichszahlungen gemäß der EU-Verordnung zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Bereits im Jahr 2021 stellte der Gerichtshof der Europäischen Union jedoch in einem Urteil (Urteil vom 23.03.2021 in der Rechtssache C-28/20 Airhelp Ltd / Scandinavian Airlines System SAS) fest, dass ein von einer Gewerkschaft von Beschäftigten eines Luftfahrtunternehmens organisierter Streik, mit dem u. a. Gehaltserhöhungen durchgesetzt werden sollen, keinen „außergewöhnlicher Umstand“ darstellt, der die Fluggesellschaft von ihrer Verpflichtung zur Leistung von Ausgleichszahlungen wegen Annullierung oder großer Verspätung der betroffenen Flüge befreien könnte (Pressemitteilung des Gerichtshofs der Europäischen Union Nr. 44/21 vom 23.03.2021). Diese Feststellung zu „internen“ Ursachen, die von der Fluggesellschaft nach Auffassung des Gerichts beherrschbar sind, grenzt das Gericht von solchen „externen“ Ursachen bzw. Streikmaßnahmen ab, die nicht Teil der Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens sind, wie Streikmaßnahmen der Fluglotsen oder des Flughafenpersonals. In diesen Fällen können daher „außergewöhnlich Umstände“ vorliegen, die Ansprüche nach der EU-FluggastrechteVO ausschließen. Neben den Ursachen des Flugausfalles, die mithin für das Bestehen eines Anspruchs entscheidend sind, ist die Höhe eines solchen Anspruchs von der Länge der geplanten Flugstrecke abhängig. Es empfiehlt sich daher auch im Falle von Verspätungen oder Ausfällen, sich von der Fluggesellschaft sowohl die konkrete Verspätung bzw. den Flugausfall, als auch den Grund bestätigen zu lassen, um die Geltendmachung von Ansprüchen absichern zu können.
Neben Ansprüchen gegen die Fluggesellschaft nach der EU-Verordnung sind auch Ansprüche gegen den Reiseveranstalter im Falle eines Pauschalreisevertrages denkbar, die sodann anzurechnen wären, da Flugausfälle und Verspätungen in der Regel Reisemängel darstellen.
Bei Rückfragen: RA Dr. Michael Bach (dr.bach@heimes-mueller.de)