Über den Schutz von Wirtschaft und Industrie im Falle einer Gasmangellage hatten wir bereits im Weekly Law Report 28/2022 berichtet. Sollte es zu der noch immer befürchteten Einstellung der Gaslieferungen durch Russland kommen, droht die Feststellung der 3. Stufe, der sog. Notfallstufe, des Notfallplans Gas seitens des Bundeswirtschaftsministeriums. Dies könnte zur Folge haben, dass hoheitliche Maßnahmen zur Reduzierung bzw. Einstellung der Gasversorgung auch gegenüber Unternehmen ergriffen werden, um zugleich die Versorgung der sog. Geschützten Kunden (§ 53a EnWG) sicherstellen zu können. Geschützte Kunden sind neben Haushaltskunden auch kleinere Gewerbetreibende und grundlegende soziale Dienste, wie z.B. Krankenhäuser.
Die Einstellung bzw. Zuteilung des verbleibenden Gases zwischen den nicht Geschützten Kunden erfolgt durch die Bundesnetzagentur im Wege des Erlasses eines Verwaltungsaktes. Übt die Bundesnetzagentur im Rahmen des Erlasses ihr Ermessen nicht ordnungsgemäß aus, stellt sich die Frage, ob die Entscheidung wegen fehlerhafter Ermessensausübung anfechtbar ist.
Da umgekehrt aber die Unternehmen im Falle der Abschaltung zugunsten der Geschützten Kunden Sonderopfer erbringen, verpflichtet § 11 EnSiG den Bund bei massiven Eingriffen in das Eigentum zur Zahlung von Entschädigungen. Bei Eingriffen, die unterhalb der Schwelle einer Enteignung liegen, ist in § 12 EnSiG ein Härteausgleich vorgesehen, d.h. eine Entschädigung in Geld zu zahlen, soweit die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen durch unabwendbare Schäden gefährdet oder vernichtet ist oder die Entschädigung zur Abwendung oder zum Ausgleich ähnlicher unbilliger Härten geboten ist. Dieser Rechtsanspruch der Betroffenen ist bei der Bundesnetzagentur nach der Verordnung über das Verfahren zur Festsetzung von Entschädigung und Härteausgleich nach dem Energiesicherungsgesetz (Energiesicherungsgesetzentschädigungsverordnung - EnSiGEntschV) geltend zu machen. Erfolgt keine gütliche Einigung können im Streitfall die Ansprüche vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden. Möglicherweise kommen bei einem Verstoß gegen die Pflicht zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit auch Amtshaftungsansprüche in Betracht.
In Anbetracht des bisher begrenzten Anwendungsbereichs dieser Regelungen wird sich zeigen, ob und in welchem Umfang die Entschädigungsansprüche mit Aussicht auf Erfolgt geltend gemacht werden können.
Bei Rückfragen:RA Dr. Michael Bach (dr.bach@heimes-mueller.de)