33 / 2022

Urheberrecht / Auskunftsanspruch

|   33 / 2022

Kein Anspruch auf Grundauskunft für Rechtsinhaber mit großem Rechtestock

Um im Fall einer Verletzung von Urheberrechten einen Schadensersatzanspruch beziffern und damit als Zahlungsanspruch geltend machen zu können, ist der Verletzte regelmäßig darauf angewiesen, dass der Verletzer Auskünfte über die Urheberechtsverletzung erteilt. Einen solchen Auskunftsanspruch gewähren § 101 UrhG und § 242 BGB.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sind diese Auskunftsansprüche nach ihrem Inhalt grundsätzlich auf die Erteilung von Auskünften über den konkreten Verletzungsfall beschränkt. Ein Anspruch auch über mögliche andere Verletzungsfälle besteht dagegen im Grundsatz nicht, da dies auf eine unzulässige Ausforschung hinausliefe.

Im Fall der Verwertungsgesellschaft GEMA ist anerkannt, dass dieser ein weitergehender Anspruch auf Grundauskunft zukommt. Diese Ausnahme von der im Grundsatz beschränkten Auskunftsanspruch liegt nach dem BGH im Wesen des Systems der Wahrnehmung von Urheberrechten durch Verwertungsgesellschaften begründet (d. h. treuhänderische Stellung der GEMA, gesetzlicher Wahrnehmungszwang, Masse und Vielfalt der übertragenen Urheberrechte). Hierdurch ist es für die GEMA schwieriger als für Urheber/originäre Rechtsinhaber, Urheberrechtsverletzungen aufzudecken, so dass eine wirksame Wahrnehmung der Belange der angeschlossenen Urheber durch die GEMA ohne den Anspruch auf Grundauskunft nicht möglich wäre.

Wie der BGH aktuell entschieden hat, steht einem Rechtsinhaber, der über einen großen Rechtestock gleichartiger Werke verfügt, von denen nachweisbar mehrere Werke von dem Verletzer unerlaubt verwendet wurden, ein solcher weitergehender Anspruch auf Grundauskunft nicht zu. Die Situation des Rechtsinhabers sei mit der der GEMA nicht vergleichbar, da der Rechtsinhaber seine Urheberrechte nicht treuhänderisch wahrnimmt und auch nicht einem nur unter erheblichen tatsächlichen Schwierigkeiten erfüllbaren Wahrnehmungszwang ausgesetzt ist (BGH, Urteil v. 28. Juli 2022 – I ZR 141/20 –, "Elektronischer Pressespiegel II", juris).

Sofern nicht ein Rechtsverhältnis zwischen dem Rechtsinhaber und dem Verletzter besteht, welches durch ein jahrelanges enges Näheverhältnis geprägt ist (ein solches kann einen weitergehenden Auskunftsanspruch aus § 242 BGB begründen), steht dem Rechtsinhaber nur der inhaltlich beschränkte Auskunftsanspruch des § 101 UrhG zu (so BGH a. a. O.).

Wer als Verletzer von Urheberrechten auf Auskunft in Anspruch genommen wird, sollte vor Erteilung der Auskunft prüfen, ob der geltend gemachte Auskunftsanspruch mit den Vorgaben der Rechtsprechung in Einklang steht. Jedenfalls dann, wenn die geltend gemachte Auskunft auf eine Ausforschung hinausläuft, sollte fachkundige Beratung in Anspruch genommen werden.

Bei Rückfragen:RA Patrick Steinhausen, LL.M. (steinhausen@heimes-mueller.de)

Verfassungsbeschwerden gegen Masern-Impfpflicht

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Die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes durch das Masernschutzgesetz sind hinsichtlich der Regelungen bei Betreuung in Kindertageseinrichtungen oder der Kindertagespflege verfassungsgemäß

 

Nach § 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 IfSG müssen unter anderem Personen, die in einer Gemeinschaftseinrichtung (zum Beispiel Kindertageseinrichtung oder erlaubnispflichtige Kindertagespflege) betreut werden, einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder eine Immunität gegen Masern aufweisen. Die Pflicht, einen solchen Impfschutz aufzuweisen, gilt auch, wenn ausschließlich Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen, die auch Impfstoffkomponenten gegen andere Krankheiten enthalten (§ 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG). Kinder, die in solchen Gemeinschaftseinrichtungen betreut werden sollen, müssen der Einrichtungsleitung vor Beginn ihrer Betreuung einen Nachweis darüber vorlegen, dass ein ausreichender Impfschutz oder eine Immunität gegen Masern besteht oder sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerden mehrerer Familien gegen die Masern-Impfpflicht zurückgewiesen (Beschluss vom 21.07.2022 – 1 BvR 469/20 u.a.). Es hat die gerügten Eingriffe sowohl in das Recht der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG als auch diejenigen in die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) der Kinder bei verfassungskonformer Auslegung von § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG als verfassungsrechtlich gerechtfertigt angesehen.

Verfassungskonform muss diese Vorschrift nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts so verstanden werden, dass bei ausschließlicher Verfügbarkeit von Kombinationsimpfstoffen, die auch Impfstoffkomponenten gegen andere Krankheiten als Masern enthalten, die Pflicht aus § 20 Abs. 8 Satz 1 IfSG nur besteht, wenn es sich nicht um andere Impfstoffkomponenten als solche gegen Mumps, Röteln oder Windpocken handelt (BVerfG Rn. 94). Allein auf Mehrfachimpfstoffe gegen diese Krankheiten beziehen sich die vom Gesetzgeber des Masernschutzgesetzes getroffenen grundrechtlichen Wertungen.

In diesen Grenzen seien die Grundrechtseingriffe daher zu­mutbar, um besonders gefährdete Menschen vor einer Infek­tion zu schützen.

Bei Rückfragen:RA Dr. Michael Bach (dr.bach@heimes-mueller.de)