34 / 2022
Gerichtsstand bei einem Vertrag über in zwei Teilflüge aufgeteilten Flug bei Umstieg in Deutschland
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 21.06.2022 (X ZR 22/21) bestätigt, dass bei einem Flug von Dänemark über Frankfurt am Main nach Kanada mit einer nicht in Deutschland ansässigen Fluggesellschaft der Umsteigevorgang in Frankfurt am Main keinen Erfüllungsort darstellt, der einen Gerichtsstand in Deutschland begründet.
Das Gericht stellte fest, dass bei einem Luftbeförderungsvertrag grundsätzlich der erste Abflugort und das Endziel des Fluges als Erfüllungsorte anzusehen sind, da dort nach dem Vertrag die eigentliche Dienstleistung erbracht wird. Ausnahmsweise kann dies anders sein, wenn eine hinreichend enge Verbindung zu dem weiteren Ort des Luftbeförderungsvertrages be-steht, was bei einem bloßen Umsteigevorgang nach Auffassung des Gerichts nicht der Fall ist. Dies hatte zur Folge, dass die deutschen Gerichte für den Rechtsstreit nicht zuständig waren.
Sowohl bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus Pauschalreiseverträgen als auch Ansprüchen nach der FluggastrechteVO stellt sich immer wieder die Frage nach der gerichtlichen Zuständigkeit - nicht nur der örtlichen, sondern auch der internationalen Zuständigkeit. Diese Fragen sind als wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Geltendmachung der Ansprüche vorab zu klären.
Bei Rückfragen:RA Dr. Michael Bach (dr.bach@heimes-mueller.de)
Keine Insolvenzantragspflicht der – und damit keine Insolvenzverschleppung durch – Gesellschafter bei Führungslosigkeit einer englischen Limited
Hat eine englische Gesellschaft in der Rechtsform einer Limited den Mittel-punkt ihrer hauptsächlichen Interessen (sog. COMI) in Deutschland, und ist diese Limited zahlungsunfähig und/oder im insolvenzrechtlichen Sinne überschuldet, dann sind die Mitglieder des Vertretungsorgans verpflichtet, Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen (§ 15a Abs. 1 InsO).
Ist die Limited allerdings führungslos, weil diesen keinen organschaftlichen Vertreter mehr hat, dann fehlt es nach Auffassung der KG Berlin an einer Antragspflicht der Gesellschafter bzw. Mitglieder des Aufsichtsrates. Der Grund hierfür liege darin, dass § 15a Abs. 3 InsO, der die Antragspflicht bei Führungslosigkeit regelt, auf die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Aktiengesellschaft und die Genossenschaft beschränkt ist. Eine Auslegung dahingehend, dass der Begriff Gesellschaft mit beschränkter Haftung auch Auslandsgesellschaften vergleichbarer Rechtsstruktur wie die englische Limited erfasse, überschreite die Wortlautgrenze (KG Berlin, Urteil vom 10. August 2022 – 4 Ss 115/22 –, juris).
Fehlt es an einer Antragspflicht der Gesellschafter der Limited (bzw. der organschaftlichen Vertreter der Gesellschafter), dann scheidet eine Straf-barkeit wegen Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 4 – 6 InsO) aus (KG Berlin a. a. O.).
Bei Rückfragen:RA Patrick Steinhausen, LL.M. (steinhausen@heimes-mueller.de), RA Dr. Michael Bach (dr.bach@heimes-mueller.de)
Rechtsmissbräuchlicher Auskunftsanspruch bei Verfolgung von sachfremden Zwecken
Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO, einschließlich des Anspruchs auf eine Kopie (Art. 15 Abs. 3 DS-GVO), gehört wohl mit zu den am meisten diskutierten Betroffenenrechten der DS-GVO. Insbesondere fehlt es nach wie vor an einer klärenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, unter welchen Voraussetzungen ein Auskunftsanspruch als exzessiv bzw. rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen werden kann.
Das AG Pforzheim hatte über einen Auskunftsanspruch zu entscheiden, den der Kläger in der Folge einer familienrechtlichen Auseinandersetzung gegenüber einem von der früheren Ehefrau beauftragten Parteigutachter geltend machte. Nach Auffassung des AG Pforzheim ging es "dem Kläger offenbar vor allem darum [...], das Auskunftsrecht des Art. 12 DSGVO zu nutzen, um den Beklagten und dessen Prozessbevollmächtigte zu schikanieren", was daraus hergeleitet wird, "dass die Schreiben des Klägers an den Beklagten und dessen Prozessbevollmächtigte durchweg von sachfremden Drohungen, Verballhornungen und sogar Formalbeleidigungen gekennzeichnet sind". Insgesamt kommt das AG Pforzheim zu der Einschätzung, "dass die destruktive Freude an der Auseinandersetzung das vorgeblich verfolgte Anliegen wenn nicht vollständig verdrängt, so doch weitestgehend überlagert", weshalb es den Auskunftsanspruch als rechtsmissbräuchlich wertet (AG Pforzheim, Urteil vom 5. August 2022 – 4 C 1845/21 –, juris).
In derart eindeutigen Fällen kann die Auskunft mit guten Gründen verweigert werden. In weniger eindeutigen Fällen sollte – bestenfalls mit fachkundiger Unterstützung – genau geprüft werden, ob tragfähige Gründe für eine Auskunftsverweigerung vorliegen.
Bei Rückfragen:RA Patrick Steinhausen, LL.M. (steinhausen@heimes-mueller.de)