Die Vergabekammer Westfalen (VG) durfte in einem aktuellen Nachprüfungsverfahren über die Rechtmäßigkeit der Privilegierung von Inklusionsbetrieben in einem Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich entscheiden (Vergabekammer Westfalen, Beschluss vom 19.08.2022 – VK 2 - 29/22 –).
In dem zugrundeliegenden Vergabeverfahren schrieb die Auftraggeberin Landschaftsbauarbeiten im offenen Verfahren aus. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Allerdings ergab sich aus den „zusätzlichen Angaben“ in der Bekanntmachung, dass Inklusionsbetriebe u. ä. bei der Angebotswertung privilegiert werden sollen. Dort hieß es unter Verweis auf die Verpflichtung zur Förderung von Menschen mit Behinderung gem. §§ 215, 224, 226 SGB IX: „Ist das Angebot der anerkannten Einrichtungen ebenso wirtschaftlich, wie das eines nicht aus anderen Gründen zu bevorzugenden Bieters/einer Bieterin, so ist der Einrichtung der Zuschlag zu erteilen. […] Bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Angebote wird der von den bevorzugten Bietern angebotene Preis mit einem Abschlag von 15 Prozent berücksichtigt.“
Nach Auffassung der VG verstößt diese Privilegierung einzelner Teilnehmer gegen § 97 Abs. 2 GWB, da die fiktive Herabsetzung des Wertungspreises eine Ungleichbehandlung darstellt, die nicht „aufgrund dieses Gesetzes“ ausdrücklich geboten oder gestattet ist. Wie die VG ausführt, lässt § 224 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB IX nur außerhalb des Anwendungsbereichs des GWB, d. h. im Unterschwellenbereich, eine Ungleichbehandlung beim Zuschlag und den Zuschlagskriterien nach den „Maßgaben der allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach Satz 2“ zu.
Darüber hinaus war die Einbeziehung eines qualitativen Zuschlagskriteriums in die Preiswertung rechtswidrig, da insoweit der Anspruch auf ein transparentes Verfahren verletzt wurde. Dies folgt zum einen daraus, dass nicht privilegierte Bieter die Höhe des Vorteils, d. h. des konkreten betragsmäßigen Abschlages, nicht erkennen können, da die Auftraggeberin diesen an den Preis des privilegierten Bieters knüpft. Zum anderen hielt die VG das Vergabeverfahren deshalb für intransparent, weil das (mittelbare) Zuschlagskriterium Inklusionsbetrieb o. Ä. in der Bekanntmachung getrennt vom Preis als einziges Zuschlagskriterium, nämlich in einer späteren Ziffer unter „zusätzliche Angaben“, angegeben wurde; hiermit muss ein fachkundiger Bieter nicht rechnen.
Diese Entscheidung zeigt anschaulich, dass eine Privilegierung von Inklusionsbetrieben u. ä. nur dann zulässigerweise erreicht werden kann, wenn die Zuschlagskriterien sorgfältig und transparent festgelegt und bekanntgemacht werden.
Bei Rückfragen:RA Patrick Steinhausen, LL.M. (steinhausen@heimes-mueller.de)